Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 05. September 2013

Keine umfassende und anlasslose Überwachung durch Nachrichtendienste!
Zeit für Konsequenzen

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder stellt fest, dass noch
immer nicht alles getan wurde, um das Ausmaß der nachrichtendienstlichen Ermittlungen mithilfe
von Programmen wie PRISM, TEMPORA und XKEYSCORE für die Bundesrepublik Deutschland
aufzuklären.

Schon die bisherigen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die Aktivitäten u.a. des
US-amerikanischen und des britischen Geheimdienstes auf eine globale und tendenziell
unbegrenzte Überwachung der Internetkommunikation hinauslaufen, zumal große Internet- und
Telekommunikationsunternehmen in die Geheimdienstaktionen eingebunden sind.

Da zahlreiche Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen, deren Server in den USA stehen,
personenbezogene Daten der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verarbeiten, betreffen
die Berichte, dass US-amerikanische Geheimdienste auf dem Territorium der USA
personenbezogene Daten umfassend und anlasslos überwachen, auch ihre Daten. Unklar ist
daneben noch immer, ob bundesdeutsche Stellen anderen Staaten rechtswidrig
personenbezogene Daten für deren Zwecke zur Verfügung gestellt und ob bundesdeutsche Stellen
rechtswidrig erlangte Daten für eigene Zwecke genutzt haben.

Die staatliche Pflicht zum Schutz der Grundrechte erfordert es, sich nicht mit der gegenwärtigen
Situation abzufinden. Die Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder sind dazu
aufgerufen, das ihnen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Mögliche zu tun, um die Einhaltung des
deutschen und des europäischen Rechts zu gewährleisten. Das Bundesverfassungsgericht hat
festgestellt, dass es „zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland gehört,
für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen
einsetzen muss“, „dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert
werden darf“. Es müssen daher alle Maßnahmen getroffen werden, die den Schutz der
informationellen Selbstbestimmung der in Deutschland lebenden Menschen und ihr Grundrecht auf
Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme für die Zukunft sicherstellen.

Für die Wahrung der Grundrechte der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland kommt es nun
darauf an, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert deshalb:

  • Nationales, europäisches und internationales Recht so weiterzuentwickeln und
    umzusetzen, dass es einen umfassenden Schutz der Privatsphäre, der informationellen
    Selbstbestimmung, des Fernmeldegeheimnisses und des Grundrechts auf Vertraulichkeit
    und Integrität informationstechnischer Systeme garantiert.
  • Sofern verfassungswidrige nachrichtendienstliche Kooperationen erfolgen, müssen diese
    abgestellt und unterbunden werden.
  • Die Kontrolle der Nachrichtendienste muss durch eine Erweiterung der Befugnisse sowie
    eine gesetzlich festgelegte verbesserte Ausstattung der parlamentarischen Kontrollgremien
    intensiviert werden. Bestehende Kontrolllücken müssen unverzüglich geschlossen werden.
    In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Datenschutzbeauftragten verstärkt in die
    Kontrolle der Nachrichtendienste eingebunden werden können.
  • Es sind Initiativen zu ergreifen, die die informationelle Selbstbestimmung und das
    Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme sicherstellen.
    Dazu gehört,
    – zu prüfen, ob das Routing von Telekommunikationsverbindungen in Zukunft
    möglichst nur über Netze innerhalb der EU erfolgen kann.
    – sichere und anonyme Nutzungsmöglichkeiten von Telekommunikationsangeboten
    aller Art auszubauen und zu fördern. Dabei ist sicherzustellen, dass den Betroffenen
    keine Nachteile entstehen, wenn sie die ihnen zustehenden Rechte der
    Verschlüsselung und Nutzung von Anonymisierungsdiensten ausüben.
    – die Voraussetzungen für eine objektive Prüfung von Hard- und Software durch
    unabhängige Zertifizierungsstellen zu schaffen.
  • Völkerrechtliche Abkommen wie das Datenschutz-Rahmenabkommen und das
    Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA dürfen nur abgeschlossen werden,
    wenn die europäischen Datenschutzgrundrechte ausreichend geschützt werden. Das
    bedeutet auch, dass jeder Mensch das Recht hat, bei vermutetem Datenmissbrauch den
    Rechtsweg zu beschreiten. Das Fluggastdatenabkommen und das
    Überwachungsprogramm des Zahlungsverkehres müssen auf den Prüfstand gestellt
    werden.
  • Auch innerhalb der Europäischen Union ist sicherzustellen, dass die nachrichtendienstliche
    Überwachung durch einzelne Mitgliedstaaten nur unter Beachtung grundrechtlicher
    Mindeststandards erfolgt, die dem Schutzniveau des Art. 8 der Charta der Grundrechte der
    Europäischen Union entsprechen.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert alle
Verantwortlichen auf, die umfassende Aufklärung mit Nachdruck voranzutreiben und die
notwendigen Konsequenzen zügig zu treffen. Es geht um nichts weniger als das Grundvertrauen
der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat.