Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 8./9. Oktober 2009

„Reality-TV“ – keine Mitwirkung staatlicher Stellen bei der Bloßstellung von Menschen

„Reality-TV“-Produktionen über behördliche Einsätze haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Justiz-, Polizei- und Sozialbehörden scheinen mittlerweile wichtige „Lieferanten“ für solche Fernsehsendungen zu sein, die einzelne Bürgerinnen und Bürger bloßstellen und dadurch erheblich in ihre Rechte eingreifen. Das Fernsehpublikum ist dabei, wenn etwa eine Gerichtsvollzieherin versucht, einen Haftbefehl gegen einen Schuldner zu vollziehen – wobei auch schon einmal eine Wohnung zwangsgeöffnet wird – oder wenn die Polizei Verdächtige überprüft oder bei Verkehrsdelikten zur Rede stellt. Es kann vom heimischen Fernsehsessel aus bequem mitverfolgen, ob Betroffene glaubwürdig Einsicht zeigen, unbelehrbar bleibt oder gar ausfällig werden. Aufgrund des Erfolgs derartiger „Unterhaltungssendungen“ ist abzusehen, dass die Intensität und die Eingriffstiefe der gezeigten staatlichen Maßnahmen zukünftig immer weiter zunehmen werden.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind zwar grundsätzlich notwendig, um die behördliche Aufgabenerfüllung darzustellen und den Informationsanspruch der Öffentlichkeit zu erfüllen. Dabei muss aber das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen gewahrt werden, gerade wenn Unterhaltung und Befriedigung von Sensationslust im Vordergrund stehen.

Wird das Fernsehen durch zielgerichtete behördliche Unterstützung in die Lage versetzt, personenbezogene Filmaufnahmen anzufertigen, ist dies rechtlich als Datenübermittlung an private Dritte zu werten. Für einen solchen massiven Eingriff in das Datenschutzgrundrecht der Betroffenen gibt es keine Rechtsgrundlage. Der Staat, der die Betroffenen zur Duldung bestimmter Eingriffsmaßnahmen zwingen kann, ist grundsätzlich nicht befugt, Dritten die Teilnahme daran zu ermöglichen. Auch das Vorliegen einer wirksamen vorherigen Einwilligung der Betroffenen wird regelmäßig zweifelhaft sein. Für eine solche Einwilligung ist es insbesondere notwendig, die betroffene Person rechtzeitig über Umfang, Dauer und Verwendungszwecke der Aufnahmen aufzuklären und auf die Freiwilligkeit seiner Einwilligung hinzuweisen. Angesichts der Überraschungssituation sowie der mit dem staatlichen Eingriff nicht selten verbundenen Einschüchterung ist hier eine besonders sorgfältige Prüfung geboten.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern deshalb alle Behörden auf, grundsätzlich von der Mitwirkung an solchen „Reality“-Reportagen Abstand zu nehmen.