Stuttgart, 21. August 2008

Pressemitteilung


Nachbesserungsbedarf bei Polizeigesetznovelle
Landesbeauftragter für den Datenschutz Peter Zimmermann:
Die bisherigen Korrekturen reichen nicht aus

 

Zwiespältig bewertet der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Zimmermann, den in dieser Woche von der Landesregierung beschlossenen Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes. Einerseits sei zu begrüßen, dass es dabei geblieben ist, keine Regelungen zur Online-Durchsuchung und zur präventiven Überwachung der Telekommunikation in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Auch sei anzuerkennen, dass die Landesregierung sich bemüht hat, die Vorschriften zur Erweiterung der Videoüberwachung und zur automatisierten Kennzeichenkontrolle verfassungskonform auszugestalten. Peter Zimmermann: „Ich habe die offenkundige Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Vorschriften von Beginn des Gesetzgebungsverfahrens an moniert. Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf hat die Landesregierung endlich auf diese Vorhaltungen reagiert.“ Allerdings halte er die vorgenommenen Korrekturen nicht für ausreichend.

Dies gelte insbesondere für die vorgesehene Ausweitung der Videoüberwachung: „Die zunächst viel zu unbestimmte und daher verfassungswidrige Formulierung der Videoüberwachung von öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen ist nunmehr zwar konkreter gefasst worden. Die erläuternde Gesetzesbegründung zeigt nun aber, wohin der Hase wirklich laufen soll.“ Offensichtlich sei beabsichtigt, die Videoüberwachung massiv auszudehnen. Diese solle bereits zulässig sein, wenn bei größeren Veranstaltungen allein die Gefahr der Begehung von bloßen Ordnungswidrigkeiten zu erwarten ist. Auch wenn in der Gesetzesbegründung von Ordnungswidrigkeiten „von erheblicher Bedeutung“ die Rede sei, bedeute dies nichts anderes, als dass die Videoüberwachung zu einer alltäglichen polizeilichen Standardmaßnahme herabqualifiziert werde. Peter Zimmermann hierzu: „Wenn nicht mal mehr die voraussichtliche Begehung von einfachen Straftaten verlangt wird, führt dies zu einer Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, weil der Eingriff in dieses Recht dann nicht mehr verhältnismäßig ist. Die Überwachung bloßer Ordnungsverstöße berücksichtigt nicht, dass die Videoüberwachung laut Bundesverfassungsgericht einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger darstellt, der auch einer qualifizierten Rechtfertigung bedarf.“

Auch die Videoüberwachung von Kriminalitätsbrennpunkten werde unangemessen erleichtert. Zur Definition des Kriminalitätsbrennpunkts wolle der Gesetzentwurf auf die Kriminalitätsbelastung des jeweiligen Gemeindegebiets abstellen. Dies führe dazu, dass auch in Gemeinden mit absolut geringer Kriminalitätsbelastung eine polizeiliche Videoüberwachung eingerichtet werden kann, wenn sich in einem Teilbereich der Gemeinde die Kriminalitätsbelastung von der möglicherweise sehr geringen Kriminalitätsbelastung der Gesamtgemeinde deutlich abhebt. Diese Voraussetzungen könnten sehr leicht erfüllt sein, was wiederum zu einer unverhältnismäßigen Ausweitung der Videoüberwachung führen würde. Zimmermann: „Offensichtlich will man hier nach dem Motto verfahren: Jeder Gemeinde ihre polizeiliche Videoüberwachung. Damit käme man der Vorstellung einer möglichen flächendeckenden polizeilichen Videoüberwachung gefährlich nahe.“

Zur verdeckten automatisierten Kennzeichenkontrolle bleibt nach Meinung von Peter Zimmermann die Frage offen, ob diese polizeiliche Maßnahme wirklich Sinn macht: „Nicht alles, was so eben noch verfassungsrechtlich zulässig ist, muss auch umgesetzt werden. Nach bekannt gewordenen Erfahrungen aus anderen Bundesländern soll die Kennzeichenkontrolle nicht gerade ein Erfolgsknüller für die polizeiliche Arbeit sein.“ Falls der Gesetzgeber gleichwohl die Einführung beschließe, sollte die neue Maßnahme nach einer bestimmten Zeit wenigstens auf ihre Wirksamkeit überprüft und ggf. wieder aufgehoben werden.

Peter Zimmermann bedauerte ferner, dass die Vorschriften, die die Datenspeicherung für Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten deutlich erleichtern sollen, aufgrund des Anhörungsverfahrens keinerlei Änderung erfahren haben. Es soll also dabei bleiben, dass die Daten von Bürgern, die einer Straftat verdächtig sind, als sog. Prüffall für zunächst zwei Jahre gespeichert werden können, auch ohne dass – wie bisher – eine Wiederholungsgefahr zu prognostizieren ist. (Nähere Erläuterungen zu dieser Fragestellung finden sich in unserer Pressemitteilung vom 22. April 2008 – S. 5)

In einer Gesamtbewertung stellt der Landesbeauftragte fest: „Der Gesetzentwurf begründet die wesentlichen Änderungen mit der Notwendigkeit einer wirksamen Terrorismusbekämpfung. Der Inhalt des Gesetzentwurfs geht jedoch in eine gänzlich andere Richtung: Es geht vorwiegend um eine allgemeine Verschärfung der Überwachungsregeln für alltägliche Lebensabläufe, die mit der Terrorismusbekämpfung allenfalls am Rande etwas zu tun haben, dafür aber die Persönlichkeitsrechte vieler unbescholtener Bürger massiv tangieren.“ Er hoffe daher noch auf eine entsprechende Korrektur der Regierungsvorlage im Landtag.