Stuttgart, 08. November 2010

Pressemitteilung
Landesbeauftragter für den Datenschutz: Datenschutzordnung des Landtags wäre wünschenswert Persönlichkeitsrechte Betroffener sind durch das Internet besonders gefährdet

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Jörg Klingbeil, hält eine Datenschutzordnung des Landtags für wünschenswert. „Im Unterschied zu einigen anderen deutschen Parlamenten hat sich der baden-württembergische Landtag noch keine eigene datenschutzrechtliche Regelung gegeben. Dabei werden vom Landtag durchaus sensible Daten verarbeitet“, erklärte der Landesbeauftragte am Montag, den 8. November 2010, in Stuttgart. Zwar gelte das Landesdatenschutzgesetz für den Landtag nur, soweit dieser in Verwaltungsangelegenheiten tätig wird, gleichwohl habe selbstverständlich auch der Landtag die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte der Bürger zu beachten und dürfe zum Beispiel in Landtagsdrucksachen nicht die vollständigen Namen von Betroffenen nennen, wenn dies für das Verständnis der Angelegenheit gar nicht erforderlich ist und die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen. Erst kürzlich habe sich ein Bürger bei ihm darüber beschwert, dass er als Hinweisgeber der Steuerfahndung und als Zeuge im Abschlussbericht des Flowtex-Untersuchungsausschusses mehrfach namentlich erwähnt worden sei und sein Name sogar auf als vertraulich gekennzeichneten Dokumenten der Finanzverwaltung im Bericht auftauche. Bis heute werde dieser Bürger immer wieder auf die Angelegenheit angesprochen, weil sein Name im Internet von Suchmaschinen wie z.B. Google selbst in der alten Landtagsdrucksache aus dem Jahr 2005 gefunden werde. „Ich habe dem Bürger leider erklären müssen, dass ich ihm nicht helfen kann, weil das Landesdatenschutzgesetz insoweit nicht gilt. Dabei wäre es nach meinem Eindruck für die Dokumentation der Arbeit des Untersuchungsausschusses gar nicht notwendig gewesen, die Klarnamen der angehörten Zeugen und Hinweisgeber im Abschlussbericht zu nennen. Die Privatsphäre ist im Zeitalter des Internets viel mehr in Gefahr als früher, weil Suchmaschinen in der Lage sind, selbst pdf-Dokumente in Windeseile nach Namen zu durchsuchen. Die weltweite Recherchierbarkeit im Internet hat eine andere Eingriffsqualität als das mühsame Durchsuchen einer Papierfassung. Solange das Internet das ‚Vergessen‘ noch nicht gelernt hat, müssen andere Mittel und Wege gefunden werden, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu schützen. Ich habe dem Landtag daher geraten, zumindest technische Vorkehrungen zu treffen, um bestimmte personenbezogene Angaben in seinen Drucksachen für Suchmaschinen nicht mehr auffindbar zu machen. Noch besser wäre es allerdings gewesen, den Namen gar nicht erst zu nennen bzw. in der Papierfassung zu schwärzen“, erklärte Jörg Klingbeil. Wenn man sich beispielsweise die aktuelle Rechtsprechung zur Identifizierbarkeit von Personen in veröffentlichten Gerichtsentscheidungen anschaue, dann sei ein gewisser Wertungswiderspruch unverkennbar.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz hält es auch für nicht unproblematisch, Zeugenvernehmungen in öffentlichen Sitzungen von Untersuchungsausschüssen per Live-Stream ins Internet zu übertragen, wie dies jetzt offenbar für den Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September 2010 beabsichtigt sei. So etwas wäre bei einem Strafprozess undenkbar. Zwar solle die Internet-Übertragung nur mit dem Einverständnis des jeweiligen Zeugen erfolgen, aber ob die Einwilligung angesichts des zu erwartenden Medienspektakels wirklich so freiwillig erteilt werden könne, sei doch fraglich. Immerhin ähnele die Arbeitsweise eines Untersuchungsausschusses stark der eines Gerichts; insofern sollten auch die für Gerichte üblichen Einschränkungen gelten. Dass die Beweisaufnahme eines Untersuchungsausschusses grundsätzlich öffentlich erfolge, sei aus Gründen der demokratischen Transparenz natürlich sinnvoll, aber ob damit gleich die weltweite Verbreitung im Internet mit ihren Speicher- und Verknüpfungsmöglichkeiten gemeint sei, wage er zu bezweifeln. Schließlich müsse nicht alles gemacht werden, was technisch machbar sei, meinte der Landesbeauftragte abschließend.