Auf die Begriffe „Scoring“ oder „Scorewert“ trifft man in Deutschland zumeist dann, wenn es um Ratenzahlungsvereinbahrungen geht – so, wenn man beispielsweise einen Kredit aufnehmen will. Hierbei fragt der potentielle Kreditgeber, also beispielsweise Ihre Bank, bei einer Wirtschaftsauskunftei wie der Schufa nach, ob über Ihre Person oder Ihr Unternehmen ein Scorewert vorliegt.

Wenn dieser vorliegt, sind Daten zu Ihrer Person oder Ihrem Unternehmen in ein sogenanntes Scoring-Verfahren eingeflossen, um Ihre Bonität – also ihre Zahlungswilligkeit und -fähigkeit – mittels dieses Score-Wertes auszudrücken. Je nach Höhe des Wertes bekommen Sie einen Kredit in gewünschter Höhe oder zu günstigeren oder ungünstigeren Konditionen. Spätestens hier stellt sich dem ein oder der anderen die Frage, was es mit diesem Scorewert auf sich hat, ob diese Bewertung meiner Person oder meines Unternehmens rechtmäßig und ist und welche Einspruchsmöglichkeiten ich habe.

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Was ist ein Scorewert?

Ein Scorewert ist ein Zahlenwert, der mittels einer statistischen Analyse ermittelt und zumeist dazu genutzt wird, eine Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines zukünftigen Ereignisses auszudrücken. Am Bekanntesten ist die Ermittlung eines Scorewerts hinsichtlich der Kreditwürdigkeitseinschätzung einer Person. Der sogenannte Kredit-Scorewert soll eine Prognose zum künftigen Zahlungsverhalten einer Person oder eines Unternehmens abgeben. Mit seiner Hilfe will man einschätzen können, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Vertragspartner bzw. die Vertragspartnerin bereit und in der Lage ist, eine längerfristige Zahlungsverpflichtung zu erfüllen.

Ist es rechtmäßig, einen Scorewert  zu berechnen?

Die Berechnung und weitere Verarbeitung von Scorewerten stellt ein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell und damit einen legitimen Verarbeitungszweck i. S. des Art. 5 Abs. 1 lit. b EUDSGVO dar, um den Schutz von Verbraucherinnen und  Verbrauchern vor Überschuldung zu gewährleisten. Zudem sollen Zahlungsausfälle verhindert und die Funktionstüchtigkeit des Wettbewerbs für die Wirtschaft sichergestellt werden.

Doch ist eine Scorewertberechnung nur rechtmäßig, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt  sind. Denn ein „schlechter“ Scorewert kann sich sehr nachteilig auf die Kreditwürdigkeit einer Person und damit auf ihr geschäftliches und persönliches Fortkommen beziehungsweise auf die Existenz eines Unternehmens auswirken.

Wer darf Scorewerte berechnen?

Auskunfteien können derartige Scorewerte nach Art. 6 Abs. 1 lit. f der EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) berechnen und an Dritte übermitteln, wenn diese dafür ein berechtigtes Interesse haben, etwa wenn sie sich vor dem Abschluss eines Vertrages über die Kreditwürdigkeit ihres Vertragspartners bzw. ihrer Vertragspartnerin  informieren wollen. Scorewerte werden insbesondere von Banken und Versicherungen vor dem Abschluss von Kredit- oder Versicherungsverträgen, aber auch von Vermieter_innen im Zusammenhang mit Mietverträgen nach Art. 6 Abs. 1 lit. b EU-DSGVO bei Auskunfteien eingeholt. Voraussetzung ist allerdings, dass die anfordernde Stelle einem längerfristigen kreditorischen Risiko ausgesetzt ist oder anders ausgedrückt, einen dauerhaften Anspruch auf Zahlung hat.

Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit handelt es sich in der Regel um Meinungen und Werturteile. Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen können Meinungen grundsätzlich nicht durch Gerichte und Aufsichtsbehörden überprüft werden. Die verfassungsrechtliche Meinungsfreiheit gewährt jedem Menschen, seine Auffassung zu äußern, unabhängig, ob diese rational begründbar ist oder von anderen geteilt wird. Vermengen sich aber – wie bei der Scorewertberechnung – wertende und tatsächliche Zuschreibungen, ist zwar insgesamt von einem Werturteil auszugehen, doch kann dieses daraufhin überprüft werden, inwieweit die zugrunde gelegten Tatsachen zutreffend sind.

Außerdem müssen  die Rahmenbedingungen, wie beispielsweise eine ausreichend große und hinreichende Datenbasis, für eine rechtmäßige Bewertung eingehalten werden – zumal Scorebewertungen in der Praxis wie Tatsachenbehauptungen behandelt werden. Mit anderen Worten: Lässt eine Auskunftei eine Bank wissen, dass ein Kunde oder eine Kundin nur als „mittelmäßig kreditwürdig“ bewertet wird, wird das von der Bank als nicht zu hinterfragende Tatsache verstanden und führt in der Regel zur Ablehnung des Kreditvertrages.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Scorewertberechnung rechtmäßig ist?

Die Datenverarbeitung bei der Berechnung bzw. weiteren Verarbeitung von Scorewerten zu Personen oder deren Unternehmen ist nur rechtmäßig, wenn:

  1. die Vorschriften des Datenschutzes eingehalten werden bzw. eingehalten worden sind,
  2. die Bewertung auf einer zutreffenden Tatsachen grundlage beruht,
  3. für die Prognose ausreichendes Datenmaterial zur Verfügung steht,
  4. für die Berechnung des Scorewertes nur Daten genutzt werden, die dafür unter Anwendung eines wissenschaftlichen mathematisch-statistischen Verfahrens geeignet sind,
  5. die betroffene Person individuell beurteilt wird und
  6. die Bewertung mit einer tragfähigen Kernaussage nachvollziehbar begründet werden kann.

 

a. Datenschutzkonformes Vorgehen

Die Datenverarbeitung bei der Berechnung beziehungsweise weiteren Verarbeitung von Scorewerten zu Personen oder deren Unternehmen ist nur rechtmäßig, wenn die Vorschriften des Datenschutzes eingehalten werden beziehungsweise eingehalten worden sind.

 

Wann ist eine Scorewertberechnung datenschutzkonform?

Wer einen Scorewert berechnet, muss die dafür verwendeten Daten legal erhalten haben und sie für diesen Zweck nutzen dürfen. Mit anderen Worten: Die Nutzung rechtswidrig verarbeiteter Daten und solcher, deren Speicherung unzulässig (geworden) ist, ist grundsätzlich nicht erlaubt.

Dieses Verbot betrifft zum einen in erster Linie diskriminierende Angaben und solche aus dem höchstpersönlichen Bereich der betroffenen Person, insbesondere Gesundheitsdaten. So dürfen beispielsweise aus Angaben zum Geschlecht keine diskriminierenden Folgerungen gezogen werden.

Im Einzelfall müsste stichhaltig begründet werden, warum Männer und Frauen ungleich zu behandeln seien. Zum anderen sind zu löschende, nicht mehr aktuelle Bonitätsnegativmerkmale (wie längst getilgte Schulden) zur Scorewertberechnung nicht zulässig (siehe Beispiel 1).

Beispiel 1

Herr Lohse ist bei einer Auskunftei als „säumiger Schuldner“ gespeichert, weil er eine Rechnung für 500 Gläser Senf nicht rechtzeitig beglichen hatte. Nach Ablauf von drei Jahren muss die Auskunftei diesen Eintrag löschen, da Herr Lohse die offene Rechnung in der Zwischenzeit beglichen hat. Die Auskunftei darf aber seine Identifizierungsdaten (Name, Geburtsdatum, Anschrift) auch weiterhin für die Scorewertberechnung nutzen, muss aber Herrn Lohse über die Änderung des Verarbeitungszwecks nach Art. 14 Abs. 4 EU-DSGVO informieren.

 

Datenerhebung durch Befragungen

Es ist legitim, dass die scorewertberechnende Stelle die betroffene Person zum Zwecke des Scorings zu ihren Verhältnissen befragen möchte, doch besteht für diese grundsätzlich keine Auskunftsverpflichtung. Eine derartige Mitwirkungspflicht ist in der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Auch für Gewerbetreibende gibt es keine Handelsbräuche i. S. des § 346 des Handelsgesetzbuches, die einen Kaufmann oder eine Kauffrau zwingen würden, über die handelsrechtlich vorgeschriebenen Publikationsverpflichtungen hinaus die finanziellen Verhältnisse des Unternehmens zu offenbaren.

Für den Fall, dass sich die betroffene Person ausdrücklich weigert, Anfragen einer Auskunftei zu ihren persönlichen Verhältnissen oder zu ihrem Unternehmen zu beantworten, ist es nicht zulässig, daraus für deren wirtschaftliche und finanzielle Zuverlässigkeit nachteilige Folgerungen zu ziehen oder einen Scorewert unter Außerachtlassung wichtiger Informationen zu berechnen. Gegebenenfalls muss die Auskunftei bekennen, dass sie mangels erforderlicher Erkenntnisse nicht in der Lage ist, einen aussagekräftigen Scorewert zu einer bestimmten Person oder einem Betrieb zu bestimmen.

Datenerhebung von personenbezogenen Informationen im Internet

Problematisch ist, inwieweit die scorewertberechnenden Stellen auch Daten aus sozialen Netzwerken oder Online-Foren nutzen dürfen. Grundsätzlich überwiegt das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person nach Art. 6 Abs. 1 lit. f EU-DSGVO am Unterbleiben der Nutzung derartiger Angaben.

Die Erhebung und Nutzung von Daten aus sozialen Netzwerken bzw. Online-Foren ist jedoch zulässig, soweit Behörden und Gerichte diese berechtigterweise im Netz bekanntmachen dürfen (z. B. Schuldnerverzeichnis der Vollstreckungsgerichte nach § 882h der Zivilprozessordnung, Entscheidungen im Insolvenzverfahren zum Beispiel nach § 30 der Insolvenzordnung). Vergleichbares gilt für über Privatpersonen veröffentlichte Angaben, wenn die ins Netz gestellten Informationen dem Auftreten der betroffenen Person in der Öffentlichkeit entsprechen. Ferner können Informationen aus den sozialen Netzwerken verwertet werden, wenn die Angaben offensichtlich von der betroffenen Person selbst oder von Dritten mit dem offensichtlichen Einverständnis der betroffenen Person veröffentlicht wurden, etwa Werbeanzeigen für eine geschäftliche Tätigkeit.

Dagegen sind die Daten nicht öffentlich verwendbar, wenn sie mittels einer entsprechenden technischen „Einstellung“ nur einem überschaubaren, begrenzten Adressatenkreis zugänglich gemacht werden sollen. Da stets ungewiss ist, ob diese Informationen von der betroffenen Person selbst beziehungsweise mit deren Einverständnis ins Netz eingestellt worden und ob diese zutreffend sind, muss die/ der Betroffene von der scorewertberechnenden Stelle vor der Nutzung der Daten nach Art. 14 EU-DSGVO informiert werden. Nur so kann der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1, Art 21 Abs. 1 EU-DSGVO widersprochen werden (siehe Beispiel 2).

Beispiel 2

Frau Kramer, eine geschiedene Ehefrau, veröffentlicht im Internet wider besseres Wissen, ihr ehemaliger Ehemann speise sie mit einer monatlichen Unterhaltszahlung i. H. von 600,00 Euro ab, wo er doch mehr als 10.000 Euro im Monat verdiene. Übernimmt eine Auskunftei diese unzutreffenden Angaben ungeprüft und gibt Herrn Kramer keine Gelegenheit zur Richtigstellung, haftet die Auskunftei nach Art. 82 EU-DSGVO für die durch den unzutreffend berechneten Scorewert gegebenenfalls eingetretenen Schäden (wie beispielsweise einen Ansehensverlust), da diese bei ordnungsgemäßer Unterrichtung der betroffenen Person – hier Herrn Kramer – hätten vermieden werden können.

 

b. Zutreffende Tatsachengrundlage

Die Datenverarbeitung bei der Berechnung bzw. weiteren Verarbeitung von Scorewerten zu Personen oder deren Unternehmen ist nur rechtmäßig, wenn die Bewertung auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht.

 

Wie wird eine zutreffende Tatsachengrundlage sichergestellt?

Die für die Berechnung des Scorewertes verwendeten personenbezogenen Angaben müssen inhaltlich richtig und auf dem neuesten Stand sein. Das Fehlen einer zutreffenden Tatsachengrundlage macht die Bewertung rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geht die Datenrichtigkeit der Meinungsfreiheit vor. Auch die deutschen Gerichte halten es für unzulässig, Bewertungen auf nicht nachvollziehbare Mutmaßungen zu stützen. Vielmehr wird erwartet, dass die Bonitätsbeurteilung auf überprüfbaren, zutreffenden Fakten beruht.

Allerdings müssen Auskunfteien die von Dritten erhaltenen Einzelangaben nur im Rahmen der Zumutbarkeit auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen. Danach besteht eine Überprüfungspflicht, wenn sich der Auskunftei diesbezügliche Zweifel aufdrängen, wenn die betroffene Person einen Widerspruch nach Art. 18 EU-DSGVO erhebt oder wenn die Datenschutzaufsichtsbehörde eine Überprüfung der verarbeiteten Angaben bzw. des errechneten Scorewertes verlangt.

Anders verhält es sich, wenn die scorewertberechnende Stelle von einer anderen Institution eine (Teil-) Bewertung einholt und diese bei der eigenen Berechnung eines Scorewertes berücksichtigt. Wer sich als planmäßig scorewertberechnende Stelle fremde Beurteilungen zu eigen macht und in seine Bewertung miteinbezieht, um diese Dritten zugänglich zu

machen, hat für deren Rechtmäßigkeit datenschutzrechtlich einzustehen, zumal der Empfänger oder die Empfängerin von Scorebewertungen sich für gewöhnlich auf deren rechtmäßiges Zustandekommen und inhaltliche Richtigkeit verlässt (siehe Beispiel 3).

Beispiel 3

Infolge einer Verwechslung hat ein Inkassounternehmen zu der Person des Herrn Stiller ein unzutreffendes Bonitätsnegativmerkmal (nicht bezahlte Rechnung) bei einer Auskunftei eingemeldet. Als eine Bank von dieser Auskunftei wegen eines Kreditgeschäftes einen Scorewert zu Herrn Stiller anfordert, berücksichtigt diese bei ihrer Berechnung diese angeblich nicht bezahlte Rechnung. Darüber hinaus erfragt sie bei einer anderen Auskunftei den Wert von Herrn Stillers Kunstsammlung. Die Bewertung der Sammlung wird von der zweiten Auskunftei jedoch zu niedrig angesetzt. Ungeprüft lässt die erste Auskunftei die fehlerhafte Bewertung der Gemälde des Herrn Stiller in den Scorewert einfließen und übermittelt das Gesamturteil („nur eingeschränkt kreditwürdig“) der anfordernden Bank. Die Scorewertberechnung ist fehlerhaft. Sie beruht auf einer unzutreffenden Angabe und auf einer falschen Teilbewertung. Herr Stiller kann von der Bank verlangen, dass die Nutzung des Scorewertes unterbleibt und dieser gelöscht wird. Er hat gegen das Inkassounternehmen einen immateriellen Schadensersatzanspruch wegen der ihn diskriminierenden Meldung gegenüber der Auskunftei. Wenn er die Auskunftei in Anspruch nimmt, durfte sich diese zwar auf die Richtigkeit der Einmeldung durch das Inkassounternehmen verlassen, nicht aber auf die Rechtmäßigkeit der Teilbewertung einer anderen Stelle

 

c. Ausreichende Datenbasis

Die Datenverarbeitung bei der Berechnung bzw. weiteren Verarbeitung von Scorewerten zu Personen oder deren Unternehmen ist nur rechtmäßig, wenn für die Prognose ausreichendes Datenmaterial zur Verfügung steht.

 

Was versteht man unter einer ausreichenden Datenbasis?

Für die Berechnung müssen ausreichend Einzelangaben – ggf. Teilbewertungen – zur Verfügung stehen, womit gesichert sein soll, dass die Gesamtbeurteilung nicht auf einem verzerrten Bild der betroffenen Person oder ihres Unternehmens beruht. Insbesondere dürfen wichtige relevante Tatsachen – etwa dass keine Bonitätsnegativmerkmale vorliegen oder die finanzielle und wirtschaftliche Situation der betroffenen Person und ihres Unternehmens – nicht außer Acht gelassen werden bzw. worden sein. So fehlt der Scorewertberechnung die sachliche Basis, wenn der berechnenden Stelle bei der Bewertung so gut wie keine Erkenntnisse über die betroffene Person oder ihren Betrieb vorliegen bzw. bei der Beurteilung vorgelegen haben.

Mit Sicherheit reicht eine Einzelangabe nicht aus, eine zutreffende Bewertung zu treffen. Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens müssen dessen wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse (z. B. Jahresabschlüsse, Unternehmenskonzept, Rentabilitätsplanung, Liquiditätsplanung, aktueller Auftragsbestand, aktuelle Verbindlichkeiten, Umsätze, Betriebsausgaben) zwingend Berücksichtigung finden.

Hat die scorewertberechnende Stelle keine ausreichende Tatsachengrundlage, ist es ihr nicht möglich, die betroffene Person oder deren Unternehmen zuverlässig zu beurteilen. Die Rechtsprechung erachtet es als „verantwortungslose Oberflächlichkeit“, wenn die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens ohne jegliche sachliche Basis negativ bewertet wird. Vielmehr muss die Auskunftei dann einräumen, dass sie mangels ausreichender Informationen nicht in der Lage ist, eine zuverlässige Bewertung vorzunehmen.

Andererseits kann die betroffene Person nicht verlangen, dass neben den von der scorewertberechnenden Stelle zu Recht für relevant erachteten Daten und zwingend zu berücksichtigenden Umständen anderweitige Tatsachen miteinbezogen werden sollen, die die betroffene Person gerne berücksichtigt haben will, wenn auch ohne diese eine tragfähige Einschätzung der Bonität möglich ist (siehe Beispiel 4).

Beispiel 4

Einer Auskunftei liegen folgende Informationen zu einer Person vor: Herr Winkelmann ist 56 Jahre alt, neigt zu Bluthochdruck, zu seiner Person wurden im letzten Jahr drei Auskunftsersuchen an die Auskunftei gerichtet und vor sechs Monaten zog eine weitere Person, die 40-jährige Diplom-Psychologin M. Tietze, in die Wohnung ein, die er mit seiner Mutter bewohnt. Daraus kann kein zuverlässiger Scorewert berechnet werden. Bei der Information über den Bluthochdruck handelt es sich um eine Gesundheitsangabe, die nicht verarbeitet werden darf. Der Einzug einer zusätzlichen Person in besagte Wohnung sagt nichts über die konkreten Auswirkungen auf die Zahlungsmoral der zu bewertenden Person aus. Auch kann kein Schluss daraus gezogen werden, dass Herr Tietze mit seiner Mutter zusammenwohnt. Die Anzahl der Bonitätsabfragen für sich genommen darf nicht in der Datei gespeichert werden, in der Informationen für die Scorwertberechnung vorgehalten werden. Auch diese Angaben lassen keine Schlüsse auf das finanzielle Verhalten zu, zumal sie auf Entscheidungen Dritter, nämlich potentieller Vertragspartner, zurückgeht. Es bleibt also nur das Lebensalter. Diese Angabe könnte zwar grundsätzlich bei einer Scorewertberechnung Berücksichtigung finden, doch wäre es hier das einzige relevante Datum, so dass mangels ausreichender Informationen eine zuverlässige Scorewertberechnung nicht möglich ist.

 

d. Eignung der Daten

Die Datenverarbeitung bei der Berechnung bzw. weiteren Verarbeitung von Scorewerten zu Personen oder deren Unternehmen ist nur rechtmäßig, wenn für die Berechnung des Scorewertes nur Daten genutzt werden, die dafür unter Anwendung eines wissenschaftlichen mathematisch-statistischen Verfahrens geeignet sind.

 

Wann sind Daten für die Score-Berechnung geeignet?

Für die Berechnung des Scorewertes dürfen nur Daten genutzt werden, die unter Zugrundelegung eines wissenschaftlichen mathematisch-statistischen Verfahrens nachweislich dafür geeignet sind. Ein irrelevantes Merkmal darf die Bewertung nicht beeinflussen. Das Verfahren muss im Einklang mit dem Stand der Wissenschaft für die Analyse, ob die betroffene Person aufgrund ihrer Merkmale zu einer entsprechenden Vergleichsgruppe, deren Bonität bekannt ist, gehört, tauglich sein. Auch müssen die statistischen Vergleichswerte aktuell sein.

Eine scorewertberechnende Stelle handelt rechtswidrig, wenn sie nicht entsprechend mathematischer Gesetzmäßigkeiten aus allen erforderlichen Einzelerkenntnissen einen Gesamtwert bildet, sondern nur selektiv die Parameter nutzt, die sie selbst für nützlich hält. Außerdem können bei der Berechnung des Scorewertes nur objektive, auf ihre Richtigkeit hin überprüfbare Fakten und Bewertungen miteinbezogen werden, die in einem Zusammenhang mit dem finanziellen und wirtschaftlichen Gebaren der betroffenen Person oder ihres Gewerbes stehen. Deswegen handelt es sich bei Daten, die ausschließlich auf subjektiven Umständen in der Sphäre der scorewertberechnenden Stelle und nicht auf einem überprüfbaren relevanten Verhalten der betroffenen Person oder ihres Betriebes beruhen, um untaugliche Parameter. Inwieweit die verwendeten Angaben geeignet sein sollen, einen realistischen Scorewert zu berechnen, muss gegebenenfalls die scorewertberechnende Stelle belegen (siehe Beispiel 5).

Beispiel 5

Die Schutzpolizeibeamtin Haas will eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen. Für die Festsetzung der Versicherungsbeiträge berechnet die Versicherung einen Scorewert, wobei sie unter anderem berücksichtigt, dass das Unternehmen die Frau seit sieben Jahren kennt und dass ihr ein Bonus zukommen soll, weil Männer im Polizeivollzugsdienst häufiger Schadensfälle verursachen würden als Frauen. Die Berechnung krankt an zwei Momenten: Es handelt sich nicht um ein Merkmal, das der Person der Polizeibeamtin „anhaftet“, wie lange die Versicherung diese mehr oder weniger zufällig kennt, sondern um eine Eigenschaft der Versicherung. Diese Information ist für die Bewertung der Frau objektiv nicht geeignet, also sachfremd. Die Behauptung, Männer würden im Polizeivollzugsdienst häufiger durch Schadensfälle auffallen, lässt sich nur damit erklären, dass das Vergleichsdatum nicht aktuell ist, sondern aus einer Zeit stammt, als bei der Schutzpolizei noch keine Frauen beschäftigt wurden. Die Berechnung ist also rechtswidrig, da ein unzutreffender statistischer Vergleichswert miteinbezogen wurde.

 

e. Individuelle Bewertung

Die Datenverarbeitung bei der Berechnung bzw. weiteren Verarbeitung von Scorewerten zu Personen oder deren Unternehmen ist nur rechtmäßig, wenn die betroffene Person individuell beurteilt wird.

 

Wie wird eine individuelle Bewertung sichergestellt?

Bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit muss eine konkrete, individuelle Bewertung der betroffenen Person bzw. ihres Unternehmens erfolgen. Das bedeutet, dass Bewertungen, die überwiegend nur auf allgemeinen statistischen Erkenntnissen bzw. auf der aktuellen Situation der jeweiligen Branche, der das zu beurteilende Unternehmen angehört, beruhen, nicht rechtmäßig sind. Für derartige Bewertungen besteht zudem kein schutzwürdiges Interesse – weder für die scorewertberechnende Stelle selbst, noch für andere Wirtschaftsunternehmen, die auf einen solchen Scorewert vertrauen.

Letztere sind vielmehr an einer realistischen Einschätzung des von ihnen konkret ins Auge gefassten potentiellen Vertragspartners, die auf verlässlichen Angaben zu diesem beruht, interessiert. Verlässliche Angaben fußen auf konkreten Erkenntnissen zur Betätigung eines bestimmten Betriebes bzw. zu dessen Inhaber_in im Wirtschaftsleben. Auskunfteien, die Bewertungen der Kreditwürdigkeit einer Person oder eines Unternehmens vornehmen, dürfen nicht gegenüber sich danach erkundigenden Stellen den Eindruck erwecken, man habe die Person oder das Unternehmen konkret beurteilt, obwohl das nicht oder nur in geringem Maße der Fall ist.

Allerdings macht es durchaus Sinn, bei der Bewertung eines Unternehmens auch den Branchendurchschnitt heranzuziehen, um zu zeigen, ob der betroffene Betrieb besser, schlechter oder diesem gleich ist, und wie sich die Branche künftig entwickelt. Darüber hinaus darf die Bewertung nicht undifferenziert auf sog. Anschriftendaten i. S. des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BDSG beruhen. Es spricht nichts dagegen, den Haushalt der betroffenen Person einschließlich des Zustandes ihrer Wohnung und der finanziellen Belastungen durch die Haushaltsmitglieder zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um Gegebenheiten der zu beurteilenden Person. Nicht in die Beurteilung mit einbezogen werden dürfen dagegen die Eigenschaften des Wohngebäudes (Alter und Art), wenn es nicht unmittelbar Rückschlüsse auf die Besitz- und Eigentumsverhältnisse der betroffenen Person zulässt, sowie das Zahlungsverhalten der Bewohner_innen der Straße und des Gebäudes, wo die betroffene Person lebt (siehe Beispiel 6).

Beispiel 6

Ein Bürger, Herr Harper, hat eine mit einer Grundschuld belastete Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus erworben. Der scorewertberechnenden Auskunftei ist bekannt, dass zu insgesamt drei ebenfalls in dem Gebäude wohnhaften Personen Bonitätsnegativmerkmale vorliegen. Die Tatsache, dass Herr Harper Eigentümer einer Wohnung ist, darf bei der Scorewertberechnung berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere für den Wert der Wohnung und die diesbezüglichen Belastungen. Dagegen ist das Zahlungsverhalten anderer Bewohner_innen des Gebäudes keine persönliche Eigenschaft der zu bewertenden Person. Dabei handelt es sich nämlich in der Regel um Umstände außerhalb ihrer Sphäre, die diese so gut wie nicht beeinflussen kann. Es kann nicht unterstellt werden, Herr Harper habe sich eine Umgebung von nur bedingt Zahlungswilligen ausgesucht, weil das zu seiner persönlichen Situation passt, geschweige denn, er habe das wissen können. Ebenso wenig ist die Annahme zulässig, dass eine „schlechte“ Umgebung die betroffene Person verleite, sich früher oder später diesem Niveau anzupassen. Auch das Argument, die betroffene Person könne anhand ihrer Wohnumgebung bezüglich ihrer Kreditwürdigkeit beurteilt werden, weil sie sich „keine andere Wohngegend leisten könne“, ist nicht zuletzt angesichts der aktuellen Situation des Wohnungsmarktes nicht überzeugend.

 

f. Überprüf- und erklärbarer Tatsachenkern

Die Datenverarbeitung bei der Berechnung bzw. weiteren Verarbeitung von Scorewerten zu Personen oder deren Unternehmen ist nur rechtmäßig, wenn die Bewertung mit einer tragfähigen Kernaussage nachvollziehbar begründet werden kann.

 

Wie wird der Tatsachenkern einer Scoreberechnung überprüfbar und erklärbar?

Grundsätzlich gewährt das Recht der freien Meinungsäußerung, eine Auffassung äußern zu können, ohne dafür eine Begründung geben zu müssen. Doch bestehen auch für die Meinungsäußerungsfreiheit Beschränkungen zum Schutz des guten Rufes und sonstiger Rechte Dritter. Deswegen muss Meinungen, also Teil- und Gesamtbewertungen, insbesondere wenn sie über Bewertungsportale oder von Auskunfteien planmäßig Dritten zugänglich gemacht werden, ein wahrer, überprüfbarer Tatsachenkern zugrunde liegen, der zu rechtfertigen vermag, warum die betroffene Person nicht optimal bewertet werden kann bzw. soll.

Denn derartige Meinungsäußerungen in Form von Bewertungen sind geeignet, sich auf die soziale Anerkennung, die (Berufs-)Ehre sowie das wirtschaftliche Fortkommen der betroffenen Person und deren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb negativ auszuwirken.

Die Gesamtbewertung der betroffenen Person oder ihres Unternehmens durch eine scorewertberechnende Stelle muss erklärbar und nachvollziehbar sein. Sie darf nicht das Ergebnis unlogischer Schlussfolgerungen sein bzw. nicht lediglich mit einer Statistik oder einer Summe von „Bewertungspunkten“ für Einzelmerkmale begründet werden. Auch muss gesichert sein, dass die Bewertung nicht völlig abwegig oder diffamierender Natur ist.

So muss, wer einen Scorewert errechnet, darlegen und begründen können, warum und in welchem Umfang nur von einer eingeschränkten Kreditwürdigkeit der betroffenen Person auszugehen sei beziehungsweise warum von der Optimalbewertung abgewichen wurde. Es darf nicht grundlos ein „schlechter“ Scorewert beziehungsweise ein solcher, den der Empfänger oder die Empfängerin als Einschränkung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person oder ihres Unternehmens versteht, vergeben werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht für die datenverarbeitende Stelle zwar keine Verpflichtung zur Offenbarung der von ihr verwendeten Scoreformel, wohl aber trifft eine scorewertberechnende Stelle insbesondere dann eine Begründungs- und Informationspflicht, wenn sie Neutralität, objektiv nachvollziehbare Sachkunde und Repräsentativität für ihre Bewertungen in Anspruch nimmt (siehe Beispiel 7).

Beispiel 7

Bei einer Auskunftei sind mehrere nicht bezahlte Rechnungen zur Person Alfonso Capone gespeichert. Die Anforderung eines Scorewertes beantwortet die Auskunftei mit dem Hinweis „Geschäftliche Beziehungen werden nicht empfohlen“. Die Auskunftei war fraglos berechtigt, eine Bonitätsauskunft dahingehend zu beantworten, dass mehrere Bonitätsnegativmerkmale über Herrn Capone vorliegen. Eine Scorebewertung unterscheidet sich jedoch von der Beauskunftung momentaner Zahlungsstörungen dadurch, dass die Auskunftei eine Prognose zur weiteren Entwicklung von Herrn Capone beziehungsweise seines Unternehmens anstellen muss. Es soll etwas dazu gesagt werden, ob dieser zumindest mittelfristig in der Lage ist, einen Kredit zurückzubezahlen. So kann der Scorewert einer Person, zu der keine Bonitätsnegativmerkmale vorliegen, durchaus „schlecht“ sein, wenn künftig Einschränkungen in der Kreditwürdigkeit zu erwarten sind, beispielsweise durch länger andauernde gesetzlich angeordnete Geschäftsschließung aufgrund einer Ausnahmesituation. Umgekehrt wollen Kreditgeber wissen, ob trotz momentaner Zahlungsausfälle früher oder später eine Besserung eintreten wird.
Die Empfehlung, wegen mehrerer bekanntgewordener Zahlungsstörungen jede Art von Geschäftsverbindung mit Herrn Capone abzulehnen, ist so nicht zulässig und stellt einen ungerechtfertigten Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Vielmehr hätte sich die Auskunftei mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob noch weitere Zahlungsausfälle zu erwarten sind, oder ob mit einer Besserung zu rechnen ist.

Welche Rechte habe ich gegenüber  scorewertberechnenden und  -verarbeitenden Stellen?

Die von einer Scoreberechnung betroffenen Personen können die in Kapitel III Art. 15 ff. der EU-DSGVO vorgesehenen Rechte gegenüber den scorewertberechnenden und -verarbeitenden Stellen geltend machen.

a. Auskunftsrecht gegenüber Auskunfteien

Art. 15 Abs. 1 EU-DSGVO ermöglicht den betroffenen Personen, von den Stellen, die Scorewerte berechnen, folgende Auskünfte zu verlangen:

  • Welche Daten sind für die Scorewertberechnung gespeichert bzw. werden ggf. dafür erhoben (Art. 15 Abs. 1 lit. a u. b EU-DSGVO)?
  • Wer sind die Empfänger der Scorewerte (Art. 15 Abs. 1 lit. c EU-DSGVO)?
  • Wo stammen die bei der Scorewertberechnung verwendeten oder zu verwendenden Daten her (Art. 15 Abs. 1 lit. g EU-DSGVO)?
  • Auf Bitten der betroffenen Person muss eine scorewertberechnende Stelle ihre Bewertung der Kreditwürdigkeit erläutern und begründen. Die Auskunftei kann sich dabei nicht auf das Geschäftsgeheimnis berufen, da die Befassung mit den Angelegenheiten einer fremden Person oder eines Unternehmens und deren Bewertung gegenüber Dritten weder einen wirtschaftlichen Wert für die scorewertberechnende Stelle darstellt, noch besteht für diese ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung dieser Angelegenheit (vgl. § 2 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen).

Diese lassen sich weder durch Verzicht, Allgemeine Geschäftsbedingungen, unternehmensinterne Anwendungshinweise, Absprachen zwischen Auskunfteien und Empfängern von Scorewerten oder Verhaltensregeln nach Art. 40 EU-DSGVO einschränken oder ausschließen.

b. Auskunftsrecht gegenüber  Scorewert-Abfragenden

Ebenfalls aufgrund von Art. 15 Abs. 1 EU-DSGVO müssen die Empfänger von Scorewerten, z. B. Banken,  zu folgenden Fragen einer betroffenen Person Auskunft geben:

  • Welche Scorewerte sind dort gespeichert (Art. 15 Abs. 1 lit. b EU-DSGVO)?
  • Wer hat diese Scorewerte berechnet und übermittelt (Art. 15 Abs. 1 lit. g EU-DSGVO)?

Eine Begründung von Entscheidungen, die unter Berücksichtigung von Scorewerten getroffen wurden, kann unter Berufung auf das Datenschutzrecht – etwa bei der Kreditentscheidung einer Bank – nicht verlangt werden. Die Bank muss also grundsätzlich nichts dazu sagen, ob eine bestimmter Scorewert bei ihrer Entscheidung berücksichtigt wurde bzw. inwieweit er für diese ausschlaggebend war.

c. Widerspruchsrecht

Nach Art. 18 Abs. 1 lit. a EU-DSGVO hat die betroffene Person das Recht, gegen die für die Scorewertberechnung gespeicherten Daten und gegen gespeicherte Scorewerte Widerspruch zu erheben und zu verlangen, dass diese auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Auch kann die betroffene Person aufgrund von Art. 18 Abs. 1 lit. d EU-DSGVO der Verarbeitung ihrer Daten sowohl bei der scorewertberechnenden Stelle wie auch bei den Empfängern von Scorewerten widersprechen mit der Begründung, sie habe ein berechtigtes Interesse am Unterbleiben der unzutreffenden Bewertung.

Dazu sollte sich die betroffene Person qualifiziert mit ihrer Bewertung auseinandersetzen und darlegen, inwieweit der Scorewert den Voraussetzungen einer rechtmäßigen Erhebung widerspricht, insbesondere, warum die Bewertung den unzutreffenden Eindruck vermittele, die betroffene Person bzw. ihr Unternehmen seien nicht uneingeschränkt kreditwürdig, obwohl es keine Gründe für eine derartige Annahme gebe. Diese Widersprüche haben zur Folge, dass die datenverarbeitenden Stellen während der von ihnen vorzunehmenden Überprüfungen diese Angaben nicht für die Scorewertberechnung nutzen beziehungsweise bereits berechnete Scorewerte nicht  weiterverarbeiten dürfen (Art. 18 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 EU-DSGVO). Erst wenn die die datenverarbeitende Stelle im Anschluss an ihre Überprüfung der betroffenen Person nach Art. 18 Abs. 3 EU-DSGVO mitgeteilt hat, dass sie die Speicherungen für zutreffend hält, kann die Datenverarbeitung fortgesetzt werden.

d. Recht auf Berichtigung der Daten

Die betroffene Person kann nach Art. 16  EU-DSGVO die Berichtigung der Daten, die bei einer scorewertberechnenden Stelle für die Berechnung von Scorewerten zu ihrer Person gespeichert sind, verlangen. Ferner kann sie darauf drängen, dass der für das Scoring bestimmte Datenbestand um Angaben ergänzt wird, die für eine korrekte Bewertung der betroffenen Person unabdingbar sind (z. B. Schuldenfreiheit, wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse des Unternehmens, belastbare Angaben anstelle von Schätzdaten).

e. Unterlassungsanspruch

Besteht die Gefahr, dass eine scorewertberechnende oder verarbeitende Stelle zu Unrecht einen rechtswidrigen Scorewert an Dritte übermittelt oder nutzt, steht der betroffenen Person u. U. ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu. Dabei kann diese die datenverarbeitende Stelle abmahnen und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen, dass diese Datenverarbeitung künftig unterbleibt. Allerdings kann nicht erzwungen werden, dass überhaupt keine Scorewert-Berechnungen mehr vorgenommen bzw. rechtmäßig ermittelte Scorewerte an zu Recht interessierte Dritte nicht mehr  übermittelt bzw. dort genutzt werden dürfen (siehe Beispiel 8).

Beispiel 8

Eine Auskunftei beabsichtigt, einen Scorewert für eine junge Frau, Marie-Antoinette, zu berechnen, da immer wieder Anfragen von Firmen zur prognostizierten Zahlungsfähigkeit dieser Kundin eingehen. Dabei sollen mehrere Merkmale der Frau zugrunde gelegt werden, aber auch Angaben zur Zahlungsmoral der Nachbarschaft. Letzteres ist unzulässig. MarieAntoinette kann mit dem Begehren klagen, dass die Auskunftei verurteilt wird, bei der Berechnung des Scorewertes die Zahlungsbereitschaft der Nachbarschaft beiseite zu lassen. Ein gänzliches Unterlassen von Berechnungen kann nicht verlangt werden, da die Auskunftei und die Wirtschaft ein berechtigtes Interesse an rechtmäßig zustande gekommenen Scorewerten haben.

 

f. Anspruch auf Löschung

Die Löschung gespeicherter Scorewerte kann nur verlangt werden, wenn ihnen Fehler bei der Berechnung anhaften beziehungsweise wenn die Bewertung auf unlogischen Schlussfolgerungen beruht oder im Ergebnis völlig abwegig ist. Dagegen kann die betroffene Person grundsätzlich nicht alleine deswegen etwas gegen die Speicherung unternehmen, weil sie die Bewertung für unzutreffend hält, da es sich bei dieser um eine verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäußerung handelt.

g. Recht auf gerichtliche Durchsetzung der  Ansprüche

Die dargestellten Ansprüche können von der betroffenen Person gegebenenfalls gerichtlich durchsetzt werden. Allerdings muss sie die Voraussetzungen für die für sie günstige Rechtsfolge darlegen und gegebenenfalls beweisen. Da die betroffene Person aber in der Regel keinen Einblick in die Scoreberechnung hat, ist ihr die Darlegung der maßgeblichen Hintergründe erschwert, so dass es ihr unter Umständen erlaubt ist, ihr Begehren lediglich mit Vermutungen zu begründen, was in einer solchen Situation zulässig ist, solange der Vortrag nicht ohne jegliche Anhaltspunkte für den angeblichen Anspruch ist und wenn ohne Darlegung eines bestimmten Sachverhalts nur willkürliche Behauptungen „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden.

Die scorewertverarbeitende Stelle trifft dann eine sog. sekundäre Darlegungslast, welche Angaben bei der Bewertung berücksichtigt wurden und welche Tatsachen für die Bewertung letztlich maßgeblich waren. Eine derartige Darlegungspflicht greift überall dort, wo der Beweispflichtige – wie hier die betroffene Person – keine Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen hat, während es dem Prozessgegner, also der scorewertberechnenden oder der speichernden Stelle zumutbar ist, diese Tatsachen wenigstens zu benennen. Gegebenenfalls muss sie den Ablauf des Bewertungsverfahrens darlegen.

Dabei muss die datenverarbeitende Stelle unter Umständen sogar Geschäftsgeheimnisse offenbaren, kann aber in dem Prozess auch ihrerseits Auskünfte von der betroffenen Person verlangen. Kommt die datenverarbeitende Stelle ihrer Darlegungspflicht nicht ausreichend nach oder erklärt sich die betroffene Person nicht ausreichend zu den Darlegungen der datenverarbeitenden Stelle, gilt das Vorbringen der jeweils anderen Partei nach § 138 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) als zugestanden.

Die scorewertverarbeitende Stelle kann den Ansprüchen mit dem ggf. von ihr zu beweisenden Tatsachenvortrag entgegentreten, der Scorewert stelle eine rechtmäßige Information dar und es bestehe ein schutzwürdiges Interesse an seiner Verarbeitung (siehe Beispiel 9).

Beispiel 9

Bei der Scorewertberechnung zu Don Vito Corleone, Geschäftsführer eines Familienunternehmens, berücksichtigt die Auskunftei eine nicht bezahlte Forderung des international tätigen Unternehmers Virgil Sollozzo, von der Herr Corleone behauptet, sie nicht zu kennen. Der Unternehmer muss in einem möglichen gerichtlichen Verfahren Umstände darlegen, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, dass er in seiner Situation einen derartigen Vertrag vernünftigerweise nicht abgeschlossen hat. Mehr kann Corleone dazu momentan nicht vortragen. Die Auskunftei als Gegenseite kann nun im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast Umstände benennen, die doch auf den Abschluss eines solchen Vertrages hindeuten. Andernfalls gelten der „Nichtabschluss“ des Vertrages und damit das Nichtbestehen der Forderung als zugestanden. Bestreitet Corleone die Darlegungen der Auskunftei zum Abschluss des Vertrages mit Sollozzo seinerseits nicht überzeugend, gilt das Zustandekommen des Vertrages als erwiesen. Welcher Seite letztlich Glauben geschenkt werden kann, entscheidet das Gericht.