Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27. April 2003

Verbesserung statt Absenkung des Datenschutzniveaus in der Telekommunikation

Im Zuge der bevorstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes plant die Bundesregierung neben der Abschaffung der Unternehmensstatistik (vgl. dazu Entschließung der 65. Konferenz vom 28. März 2003 zur Transparenz bei der Telefonüberwachung) eine Reihe weiterer Änderungen, die zu einer Absenkung des gegenwärtigen Datenschutzniveaus führen würden.

Zum einen ist vorgesehen, die Zweckentfremdung von Bestandsdaten der Telekommunikation (z. B. Art des Anschlusses, Kontoverbindung, Befreiung vom Telefonentgelt aus sozialen oder gesundheitlichen Gründen) für Werbezwecke weiter gehend als bisher schon dann zuzulassen, wenn der Betroffene dem nicht widerspricht. Dies muss – wie bisher – die informierte Einwilligung des Betroffenen voraussetzen.

Außerdem plant die Bundesregierung, Daten, die den Zugriff auf Inhalte oder Informationen über die näheren Umstände der Telekommunikation schützen (wie z. B. PINs und PUKs – Personal Unblocking Keys –), in Zukunft der Beschlagnahme für die Verfolgung beliebiger Straftaten zugänglich zu machen. Bisher kann der Zugriff auf solche Daten nur angeordnet werden, wenn es um die Aufklärung bestimmter schwerer Straftaten geht. Diese Absenkung oder gar Aufhebung der verfassungsmäßig gebotenen Schutzschwelle für Daten, die dem Telekommunikationsgeheimnis unterliegen, wäre nicht gerechtfertigt; dies ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2003.

Aus der Sicht des Datenschutzes ist auch die Versagung eines anonymen Zugangs zum Mobilfunk problematisch. Die beabsichtigte Gesetzesänderung führt dazu, dass z.B. der Erwerb eines „vertragslosen“ Handys, das mit einer entsprechenden – im Prepaid-Verfahren mit Guthaben aufladbaren – SIM-Karte ausgestattet ist, einem Identifikationszwang unterliegt. Dies hat zur Folge, dass die Anbieter von Prepaid-Verfahren eine Reihe von Daten wegen eines möglichen Zugriffs der Sicherheitsbehörden auf Vorrat speichern müssen, die sie für ihre Betriebszwecke nicht benötigen. Die verdachtslose routinemäßige Speicherung zu Zwecken der Verfolgung eventueller, noch gar nicht absehbarer künftiger Straftaten würde auch zur Entstehung von selbst für die Sicherheitsbehörden sinn- und nutzlosen Datenhalden führen. So sind erfahrungsgemäß z. B. die Erwerber häufig nicht mit den tatsächlichen Nutzern der Prepaid-Angebote identisch.

Insgesamt fordern die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder den Gesetzgeber auf, das gegenwärtige Datenschutzniveau bei der Telekommunikation zu verbessern, statt es weiter abzusenken. Hierzu sollte jetzt ein eigenes Telekommunikations-Datenschutzgesetz verabschiedet werden, das den Anforderungen einer freiheitlichen Informationsgesellschaft genügt und später im Zuge der noch ausstehenden zweiten Stufe der Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes mit diesem zusammengeführt werden könnte.