Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 8./9. Oktober 2009

Datenschutzdefizite in Europa auch nach Stockholmer Programm
 

Die Europäische Union will im Stockholmer Programm ihre politischen Zielvorgaben zur Entwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die kommenden fünf Jahre festschreiben. Dazu hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen Entwurf vorgelegt.

Zwar erwähnt der Kommissionsentwurf die Wahrung der persönlichen Freiheitsrechte und des Schutzes der Privatsphäre als Prioritäten der Innen- und Sicherheitspolitik in einem „Europa der Bürger“. Schritte wie der geplante Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Aufklärungs- und Informationskampagnen zum Datenschutz und die Förderung und ggf. Zertifizierung von datenschutzfreundlichen Technologien weisen auch in diese Richtung.

Allerdings bleiben die konkreten Überlegungen für einen verbesserten Datenschutz deutlich hinter den Zielsetzungen für eine verbesserte Sicherheitsarchitektur zurück. Hierzu enthält der Kommissionsentwurf einen umfangreichen Katalog von zum Teil äußerst eingriffsintensiven Maßnahmen, wie z. B. ein elektronisches Registrier- sowie Vorabgenehmigungssystem für Ein- und Ausreisen in oder aus der EU oder den Aufbau eines europäischen Strafregisterinformationssystems. Die ebenfalls angestrebte einheitliche Plattform der Informationsverarbeitung mit beinahe beliebigen Datenverarbeitungsmöglichkeiten gefährdet ohne angemessene Maßnahmen zur Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit die Bürgerrechte.

Nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bedarf es weiterer Schritte, um in Europa ein ausgewogenes Verhältnis von Sicherheit und Freiheit zu erreichen. Hierzu zählen insbesondere:

  • Die Weiterentwicklung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI zu einem harmonisierten und auch für die innerstaatliche Datenverarbeitung verbindlichen Datenschutzrecht, das im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit ein hohes Datenschutzniveau gewährleistet.
  • Abschluss von Übereinkommen mit Drittstaaten nur unter der Voraussetzung, dass die zwingenden Datenschutzgrundsätze dort beachtet werden.
  • Ein unabhängiges datenschutzrechtliches Beratungs- und Kontrollorgan für alle Bereiche der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten.
  • Die Evaluation der vielen auf EU-Ebene beschlossenen sicherheitspolitischen Vorhaben im Hinblick auf ihre Effektivität, den Umfang der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe sowie mögliche Überschneidungen der Maßnahmen untereinander, bevor weitere Rechtsakte verabschiedet werden.
  • Die Verbesserung von Transparenz und demokratischer Kontrolle bei der Rechtsetzung im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, ungeachtet der Annahme des Vertrages von Lissabon.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert die Bundesregierung auf, sich für diese Forderungen – auch unter Berücksichtigung der Kritik des Bundesrates etwa zu der Schaffung von Exekutivbefugnissen für EUROPOL und EUROJUST – im weiteren Verfahren einzusetzen.