Stellungnahme der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 11. Oktober 2010 zum Entwurf des 15. Änderungsstaaatsvertrages
(Stand: 15. September 2010)

Vorbemerkung

 

Mit dem vorgelegten Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (RBStV-E) soll ein grundlegender Systemwechsel bei der Erhebung der finanziellen Mittel für die Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland vollzogen werden. Die bisherige an den Besitz eines Empfangsgerätes gekoppelte Rundfunkgebühr soll durch die Erhebung eines an das Innehaben einer Wohnung oder Betriebsstätte anknüpfenden Beitrages ersetzt werden. Ziel des neuen Beitragsmodells ist außer einer höheren Beitragsgerechtigkeit auch eine deutlich datenschutzgerechtere Beitragserhebung. Das letztgenannte Ziel droht der vorliegende Entwurf zu verfehlen. Die Umstellung auf eine wohnungsbezogene Abgabe wird zwar wahrscheinlich zu einer geringeren Zahl zu speichernder Beitragszahler führen, dies aber ohne entsprechend die Datenverarbeitungsbefugnisse der für den Einzug der Finanzmittel zuständigen öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit zu beschränken.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht widersprechen die Datenverarbeitungsbefugnisse des Staatsvertragentwurfs durch zu umfangreiche Ermächtigungen der Rundfunkanstalten und ihrer Hilfsorgane den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Datensparsamkeit sowie den Grundsätzen der Normklarheit und Transparenz. Es entsteht der Eindruck, dass die Verfasser des Entwurfs befürchtet haben, dass auch in Zukunft umfangreiche Datenerhebungsbefugnisse für den Gebühreneinzug gebraucht werden, um für jede Wohnung trotz Anmeldepflicht oftmals mehrerer beitragspflichtiger volljähriger Gesamtschuldner einen zahlungswilligen Beitragsschuldner zu finden.

 

Datenschutzrechtliche Bewertung im Einzelnen:

I. Regelung der Datenverarbeitungsbefugnisse

In § 11 Absatz 4 RBStV-E werden die Landesrundfunkanstalten ermächtigt, die für die Beitragserhebung notwendigen Daten ohne Kenntnis des Betroffenen zu erheben. Die Befugnis erstreckt sich auf öffentliche und nicht öffentliche Quellen. Diese Ermächtigung bricht mit dem fundamentalen Prinzip, dass Daten grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben sind. Eine Abweichung von diesem Grundprinzip wäre nur bei zwingender Notwendigkeit akzeptabel. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Länder bzw. Landesrundfunkanstalten haben bisher nicht darlegen können, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn die Nutzung nicht öffentlicher Datenquellen gegenüber einer ausschließlichen Nutzung der öffentlichen Quellen tatsächlich erbringen soll.

Zunächst einmal unterliegt jeder Beitragspflichtige nach § 8 Abs. 1 RBStV-E einer Meldepflicht, nach der er selbst die erforderlichen und im Staatsvertrag genannten Daten an die Rundfunkanstalten zu übermitteln hat. Sollte für eine Wohnung kein Wohnungsinhaber namentlich bekannt sein, weil der Meldepflicht nicht nachgekommen wurde, besteht über die Meldebehörde oder die Datenerhebung beim Grundbuchamt als einer öffentlichen Stelle die Möglichkeit, den Eigentümer einer Liegenschaft und über dessen Auskunftspflicht die Nutzer der jeweiligen Wohnung oder Betriebsstelle zu ermitteln.

Es ist mithin kein Grund ersichtlich, warum darüber hinaus auch bei nicht öffentlichen Stellen Daten erhoben werden sollen. Die Art der zu nutzenden nicht öffentlichen Quellen ist in keiner Weise konkretisiert. Es kommen also alle denkbaren Möglichkeiten, wie zum Beispiel Arbeitgeber, Versicherungen, Versandhäuser, Inkassounternehmen und Auskunfteien in Betracht. Über diese Ermächtigung soll auch zukünftig die Möglichkeit bestehen, Adressdaten aus privaten Quellen anzukaufen, was sich mit dieser Deutlichkeit beim Lesen des Regelungstextes für den Beitragsschuldner nicht unmittelbar ergibt. Gerade der Ankauf von Adressdaten bei privaten Stellen, das heißt Adresshändlern, ist aber nach einer Umstellung von der Geräteabgabe auf eine Wohnungsabgabe nicht mehr erforderlich. Hinzu kommt, dass hier keine Möglichkeit für die Rundfunkanstalt besteht, die Qualität der nicht öffentlichen Datenquelle zu überprüfen, und somit ein erhebliches Risiko besteht, hier mit falschen Daten zu arbeiten, was sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat. Außerdem stellt der Ankauf von großen Mengen von Adressdaten bei Dritten auch keine zielgerichtete Form der Datenerhebung dar. Es werden sozusagen auf Verdacht Daten erhoben, die „ins Blaue hinein“ überprüft werden auf mögliche, noch unbekannte Wohnungsinhaber.

Auch hinsichtlich der Möglichkeit der Datenerhebung bei öffentlichen Stellen ist eine Begrenzung zu fordern. Das Fehlen jeglicher sachlicher Grenzen widerspricht dem Gebot der Normenbestimmtheit. Die Einhaltung dieses Gebots ist umso wichtiger, als der Betroffene keine Kenntnis von der Datenerhebung hat und somit seine Interessen nicht selbst verfolgen kann.

Unter diesen Gesichtspunkten stellt sich die Befugnis der Rundfunkanstalten, die Datenerhebung beim Betroffenen oder öffentlichen Stellen zusätzlich auch auf private Quellen auszuweiten, als unzulässig dar.

Der Staatsvertragsentwurf sieht zudem eine Löschungsfrist von 12 Monaten für so erlangte nicht benötigte Daten vor. Die Erforderlichkeit einer derart langen Speicherdauer ist nicht ersichtlich.

Der Entwurf bedarf dringend der systematischen nach der Eingriffstiefe abgestuften Klarstellung, dass die Daten ausschließlich beim Betroffenen zu erheben sind und nur in begründeten Ausnahmefällen ein Rückgriff auf weitere öffentliche Quellen zulässig ist. Diese Bestimmung des Gesetzesinhalts darf insbesondere nicht im Rahmen der Satzungsermächtigung gemäß § 9 Abs. 2 erfolgen.

Sichergestellt werden muss außerdem, dass spezialgesetzliche Erhebungs- und Verarbeitungsbefugnisse durch die Rechtfertigungstatbestände des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages nicht umgangen werden. Mit § 11 Abs. 4 RBStV-E wird ein Paralleltatbestand zur Erhebung von Daten aus öffentlichen Registern geschaffen. Die dafür erlassenen bereichsspezifischen Übermittlungstatbestände können so ausgehebelt werden. Die Landesrundfunkanstalten haben z.B. die Wahl, entweder über die melderechtlichen Vorschriften auf das Melderegister zuzugreifen oder § 11 Abs. 4 RBStV-E als Rechtsgrundlage heran zu ziehen. Den bereichsspezifischen Vorschriften ist hier inhaltlich bestimmt und normenklar der Vorrang einzuräumen.

 

 

II. Datenerhebungsbefugnisse bei Befreiungstatbeständen

Der Staatsvertragsentwurf sieht vor, dass sich Bürger beim Vorliegen von besonderen Voraussetzungen gemäß § 4 RBStV-E von der Beitragspflicht befreien lassen können oder zumindest einen Anspruch auf Ermäßigung des Rundfunksbeitrages haben. Die Befreiungstatbestände sind überwiegend im sozialen Bereich begründet. Die Befreiung/Ermäßigung wird auf Antrag bei Nachweis der Voraussetzungen gewährt.

Nach den vorgesehenen Vorschriften wären die Rundfunkanstalten berechtigt, zum Nachweis der Berechtigung sich eine Bescheinigung oder die Originalbescheide bzw. beglaubigte Kopien dieser Bescheide vorlegen zu lassen und diese zu speichern. Der Entwurf orientiert sich dabei ausschließlich an praktischen Belangen der Rundfunkanstalten, wonach die gesamte Eingangspost bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eingescannt wird. Nur deshalb erfolgt eine vollständige Erfassung der Bescheide. Nach eigenen Aussagen der GEZ ist bei dieser Verfahrensweise eine partielle Löschung nicht benötigter Daten nicht möglich. Allein deshalb werden auch sensitive Gesundheits- und/oder Sozialdaten gespeichert, die von niemandem bestritten für die Entscheidung über eine Beitragsbefreiung nicht erforderlich sind.

Die Verarbeitung nicht erforderlicher Daten widerspricht jedoch den Grundsätzen unserer Datenschutzordnung, insbesondere dem Grundsatz der Datensparsamkeit, der über Art. 6 Absatz 1 Ziffer c der Europäischen Datenschutzrichtlinie Eingang in unsere Rechtsordnung gefunden hat. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung die Geltung des, sich durch das Datenschutzrecht weithin durchziehenden Grundsatzes der Datensparsamkeit zum Ausdruck gebracht (BverfG 1 BvR 256/08, in Juris, Rn. 270). Dieser Grundsatz durchzieht nicht nur das BDSG, sondern auch zahlreiche weitere Landes- und spezielle Gesetze über den Datenschutz.

Datenschutzgerecht wäre es hier, die Nachweispflicht auf die Vorlage von Leistungsbescheinigungen zu beschränken, die lediglich den Leistungsgrund und den Leistungszeitraum erkennen lassen. Vielfach stellt die Leistungsverwaltung deshalb speziell sog. Drittbescheinigungen aus. Deshalb sollte eine geänderte Regelung vorsehen, dass grundsätzlich Drittbescheinigungen vorzulegen sind (die dann gescannt werden könnten) und nur dann, wenn die Beschaffung einer Drittbescheinigung nicht möglich ist, die Vorlage des Leistungsbescheids im Original oder in beglaubigter Kopie verlangt werden kann (der dann von den Rundfunkanstalten bzw. deren Auftragsdatenverarbeiter nicht gescannt werden darf, sondern aus dem die entscheidungserheblichen Daten händisch gespeichert werden und der Bescheid anschließend zurückgesendet wird).

Da mit einer hohen Zahl von Befreiungsanträgen aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung aller volljährigen Wohnungsinhaber zu rechnen ist, könnte der nicht erforderliche Datenbestand durch den Modellwechsel noch anwachsen, wenn keine Änderung des Verfahrens geregelt wird.

Ein weiterer Befreiungstatbestand (§ 4 Absatz 6 RBStV-E) soll nach dem Staatsvertragsentwurf in sog. Härtefällen vorliegen. Welche konkreten Nachweispflichten hier bestehen, ist dem Entwurf nicht zu entnehmen. Es ist jedoch anzunehmen, dass hier neben der Übermittlung von Gesundheits- und/oder Sozialdaten auch die Offenlegung von Finanz- und Steuerdaten erforderlich ist. In jedem Falle ist hier eine gesetzliche Konkretisierung des Datenerhebungsumfangs notwendig, um bei den Beitragsschuldnern die erforderliche Rechtsklarheit zu schaffen. Diesbezügliche Erläuterungen in der Regelungsbegründung sind nicht ausreichend.

 

 

III. Funktionsübertragungsmöglichkeiten auf private Dritte

Gemäß § 10 Absatz 7 Satz 1 RBStV-E bedienen sich die Rundfunkanstalten bei der Beitreibung des Rundfunkbeitrages einer „im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene(n) Stelle“, mit dieser Beschreibung ist die heutige GEZ gemeint. Diese Stelle verarbeitet die erforderlichen Daten für die Beitragserhebung. Datenschutzrechtlich ist das Verhältnis zwischen den Rundfunkanstalten und der genannten Stelle als Datenverarbeitung im Auftrag zu betrachten. Einzige Aufgabe dieser Stelle ist es, die Rundfunkbeiträge von den Bürgern einzuziehen und den Rundfunkanstalten bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass in § 10 Absatz 7 Satz 1 RBStV-E die Landesrundfunkanstalten außerdem ermächtigt werden sollen, diese Aufgabe zusätzlich „ganz oder teilweise“ auf Dritte zu übertragen. Dies führt zu einer weiteren Datenverarbeitung durch Dritte und ist nicht notwendig, es sei denn, die von den Rundfunkanstalten betriebene gemeinsame Stelle ist nicht in der Lage, die Aufgabe zu erfüllen, die ihre Existenzberechtigung ausmacht. Hinzu kommt, dass eine vollständige („ganz“) Übertragung von Aufgaben auf Dritte eine unzulässige Funktionsübertragung darstellen würde.

 

 

IV. Zugriff auf Daten Beitragspflichtiger anderer Rundfunkanstalten

Zur Erfüllung Ihrer Aufgaben hält die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle die kompletten Datensätze aller beitragspflichtigen Bürger der gesamten Bundesrepublik vorrätig. Eine logische Trennung dieses Registers nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Landesrundfunkanstalt erfolgt nicht. Umgekehrt haben die einzelnen Landesrundfunkanstalten Zugriff auf den kompletten Datensatz aller Beitragsschuldner der Bundesrepublik. Bereits in anderen Rechtsbereichen wurde die Existenz solcher bundesweiten zentralen Register als unzulässig kritisiert. Unabhängig von der grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Kritik an solchen zentralen Datensammlungen ist hier mit dem neuen Modell der Rundfunkfinanzierung auch kein Bedarf für einen bundesweiten Zugriff auf alle Rundfunkbeitragsschuldnerdaten erkennbar. Wurde beim jetzigen Finanzierungsmodell noch an eine Person angeknüpft, die ein Empfangsgerät bereithält, ist zukünftig eine Wohnung oder Betriebsstätte Anknüpfungspunkt für die Zahlungspflicht. Da diese in der Regel ortsfest sein werden, ist nur noch der Zugriff einer Rundfunkanstalt auf die Daten erforderlich, die sich auf Wohnungen und/oder Betriebsstätten im eigenen Sendegebiet beziehen. Jede weitere Möglichkeit der Datenverarbeitung wäre unverhältnismäßig und damit unzulässig.

 

 

V. Einmaliger Meldedatenabgleich über einen Zeitraum von zwei Jahren

Der Entwurf des Staatsvertrages sieht in § 14 Absatz 9 RBStV-E vor, dass die Rundfunkanstalten innerhalb einer Frist von 2 Jahren ab Inkrafttreten des Staatsvertrages von allen Meldebehörden einen festgelegten Datensatz aller volljährigen Personen übermittelt bekommen, um eine Bestands- und Ersterfassung der Beitragsschuldner zu ermöglichen. Dieses gewählte Verfahren erscheint mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit nicht vereinbar, da ein Grund für eine pauschale Datenübermittlung durch die Meldebehörden aufgrund der Vermutungsregelung nach § 14 Abs. 3 RBStV-E nicht besteht. Nur in Zweifelsfällen ist eine Datenübermittlung bei konkreter Anforderung erforderlich; auf diese sollte daher die Datenübermittlungsbefugnis beschränkt werden. Auch sollte zumindest die Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 RBStV-E gestrichen werden, da eine voraussetzungslose und umfassende Anzeigepflicht Privater Bedenken im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begegnet; Beitragsausfälle dürften aufgrund der Vermutungsregelung kaum eintreten und Streitfälle ließen sich durch konkrete Datenanforderungen bei den Meldebehörden lösen, auch existiert bereits jetzt eine Meldedatenübermittlungsermächtigung in den Landesmeldegesetzen.

 

 

VI. Weitere datenschutzrechtliche Problempunkte

1. Begriff der Wohnung

Obwohl seit April 2010 von den Datenschutzbeauftragten immer wieder angesprochen, ist noch immer keine Klarheit im Staatsvertragsentwurf geschaffen worden in der Frage, was eigentlich eine Wohnung i. S. des RBStV-E ist und wie die Inhaberschaft letztlich nachgewiesen werden soll. Der Staatsvertragsentwurf wählt hier in § 3 Absatz 1 Ziffer 1 subjektive Deutungsbegriffe wie „zum Wohnen und Schlafen geeignet“, um eine Wohnung zu beschreiben. Es sind durchaus Orte denkbar, die wohl die o. g. Geeignetheit aufweisen, aber im Allgemeinen nicht als Wohnung bezeichnet werden. Wie soll diese Geeignetheit festgestellt werden? Denkbar sind hier Hausbesuche oder Besichtigungen von Beitragsbeauftragten, die aber rechtlich unzulässig wären.

Die Inhaberschaft einer Wohnung wird vermutet, wenn der Betreffende melderechtlich erfasst ist oder im Mietvertrag genannt wird, so § 2 Absatz 2 RBStV-E. Dass Mietverträge auch in nicht schriftlicher Form existieren oder von Personen abgeschlossen werden, die nur die Mietzahlung übernehmen, bleibt unberücksichtigt. Es stellt sich die Frage, wie in diesem Fall und vor allem durch Offenbarung welcher Daten hier der positive oder auch negative Nachweis der Inhaberschaft einer Wohnung durch den Betroffenen erbracht werden kann. Es sollte daher auf die einschlägigen melderechtlichen Vorschriften Bezug genommen werden; zumindest sollten diese gesetzlichen Begriffsbestimmungen unverändert übernommen werden.

 

2. Gesamtschuldnerische Haftung von Beitragsschuldnern

Ein Strukturmangel des Entwurfs des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags in datenschutzrechtlicher Hinsicht ist die Ausweitung der künftigen Rundfunkbeitragsschuld auf alle volljährigen Personen, die in Deutschland mit einem Wohnsitz gemeldet sind bzw. ein Mietverhältnis begründet haben. Anknüpfungspunkt für die Beitragsschuld ist eine gesetzlich angeordnete Fiktion, wonach jede Person als Wohnungsinhaber gilt, die nach dem Melderecht gemeldet oder im Mietvertrag für eine Wohnung als Mieter genannt ist. Der Personenkreis, der nach dem Rundfunkstaatsvertrag künftig als Wohnungsinhaber gilt, haftet den Rundfunkanstalten bzw. den Beitragsgläubigen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 RBStV-E als Gesamtschuldner.

Aus der Sicht der Beitragsgläubiger stellt die Fiktion der Wohnungsinhaberschaft eine Erleichterung bei der Durchsetzung des Rundfunkbeitrags dar. Denn der Gesamtschuldner schuldet grundsätzlich die gesamte Leistung, d. h. den gesamten Rundfunkbeitrag für die Wohnung, in der er wohnt, und zwar unabhängig davon, ob er selbst Inhaber der Wohnung oder bloßer Mitbewohner ist. Dies bedeutet unter Datenschutzgesichtspunkten eine Ausdehnung des Kreises von möglichen Beitragsschuldnern auf Personen, die, ohne einen eigenen Haushalt zu führen, künftig legitimes Subjekt des Datenerhebungsinteresses der Beitragsgläubiger werden können. Statt eine Lösung zu wählen, die die Rechtspflichten an die tatsächliche Wohnungsinhaberschaft nur eines Haushaltsvorstands knüpft, arbeitet das Regelungskonzept mit einer großen Streubreite, bei der eine kollektive Haftbarmachung der Bevölkerung die Verantwortlichkeit auf die Betroffenen selbst verlagert. Insofern wäre ein grundlegendes Umsteuern des Entwurfs in dem Sinne, dass nur eine Person pro Haushalt Beitragsschuldner ist, mehr als nur wünschenswert. Sonst müsste, besonders bei den Löschungsvorschriften, klarer zwischen Beitragsschuldnern und Beitragszahlern unterschieden werden, damit deutlich wird, dass die Daten aller übrigen in einer Wohnung gemeldeten und im Mietvertrag genannten Personen gelöscht werden, wenn ein Beitragszahler ermittelt wurde.

 

3. Nachweispflichten

An unterschiedlichen Stellen werden im dem Staatsvertragsentwurf den Beitragsschuldnern für verschiedene Sachverhalte pauschal Nachweispflichten auferlegt. So hat ein Beitragsschuldner, der einen Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht stellt, gemäß § 4 Absatz 7 RBStV-E in diesem Antrag nicht nur die weiteren volljährigen Bewohner seiner Wohnung zu benennen, sondern hat dies, gemeint ist wohl deren Existenz und die Tatsache, dass diese auch Bewohner der Wohnung sind, nachzuweisen. Diese Pflicht betrifft jeden Antragsteller, unabhängig davon, ob er die Wohnungsabgabe bezahlen will oder aber nur im Innenverhältnis als Gesamtschuldner einen Nachweis benötigt, dass er nicht zahlen muss. Im Gesetzestext ist zudem nicht erkennbar, in welchem Umfang diese Nachweispflicht besteht. Es stellt sich die Frage, wie weit der Betroffene hier gezwungen ist, im Einzelfall Daten Dritter zu erheben und an die Rundfunkanstalt zu übermitteln, um seiner Nachweispflicht zu genügen? Die Regelung verletzt den Grundsatz der Datenerhebung beim Betroffenen. Sie birgt die konkrete Gefahr in sich, dass persönliche, darunter ggf. auch sensitive Daten Dritter, gegen deren Willen den Rundfunkanstalten offenbart werden.

 

4. Glaubhaftmachung bei Betriebsstilllegung

In § 5 Absatz 5 RBStV-E wird einem Betriebsstätteninhaber eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag gewährt, wenn er glaubhaft macht und auf Verlangen nachweist, dass seine Betriebsstätte für mehr als 3 Monate stillgelegt wird. Auch hier ist nicht erkennbar, welchen Umfang die Nachweispflicht hat. Aufgrund der Unklarheit ist anzunehmen, dass hier im Einzelfall auch gesundheitliche, familiäre oder sonstige private Tatsachen belegt werden müssen. Eine solche erzwungene Offenlegung stellt regelmäßig einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Zwar wird für die Konkretisierung auf die Satzungsermächtigung in § 9 Absatz 2 RBStV-E hingewiesen, dies kann jedoch zur Schaffung von Rechtsklarheit nicht ausreichen. Erhebliche grundrechtsrelevante Eingriffe müssen im Gesetz selbst, also durch die Legislative, geregelt werden. Hier diese Befugnis auf die Exekutive zu delegieren, entspricht nicht den grundgesetzlichen Anforderungen an den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes.

 

5. Mitteilung eines Lebenssachverhaltes bei Abmeldung

In § 8 Absatz 5 Ziffer 3 RBStV-E wird von einem Beitragsschuldner, der pflichtgemäß das Ende des Innehabens einer Wohnung oder Betriebsstätte anzeigt (Abmeldung) gefordert, dass er den „die Abmeldung begründenden Sachverhalt“ mitteilt. Für den Abmeldevorgang allein würde die Mitteilung, dass eine Wohnung oder Betriebsstätte verlassen oder aufgegeben wird, ausreichen. Warum sollten die Rundfunkanstalten daran interessiert sein, zu erfahren, aus welchen in seiner Person liegenden Gründen ein Beitragsschuldner die Abmeldung vornimmt? Der Betroffene könnte nach der Formulierung im Staatsvertrag gezwungen werden, Gesundheits-, Sozial-, Finanz- und/oder Steuerdaten zu offenbaren und ggf. familiäre Verhältnisse offen zu legen. Auch die in § 8 Abs. 5 Nr. 3 a. E. RBStV-E vorgesehene Datenerhebung über Dritte beim (bisherigen) Beitragsschuldner begegnet Bedenken. Personenbezogene Daten sind nach dem Grundsatz der Direkterhebung grundsätzlich beim Betroffenen selbst zu erheben. Ausnahmen hiervon können zwar durch Gesetz angeordnet werden, setzen aber die strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes voraus. Inwieweit hier die Datenerhebung bei einem Dritten erforderlich ist, erschließt sich nicht, da nach § 8 Abs. 1 RBStV-E der neue Beitragsschuldner selbst zur Meldung verpflichtet ist und von ihm auch nach § 9 Absatz 1 RBStV-E Auskunft begehrt werden kann.

 

6. Auskunftsrecht bei Eigentümern und Verwaltern

Nach § 9 Abs.1 Satz 4 RBStV-E soll die zuständige Landesrundfunkanstalt im Einzelfall weitere Daten, die über die Daten nach § 8 Abs. 4 und 5 hinausgehen, bei Eigentümern und Verwaltern erheben dürfen, soweit dies nach Satz 1 erforderlich ist. Der Begriff „weitere Daten“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der im Staatsvertrag schon deswegen zu konkretisieren ist, da nach § 9 Abs. 1 Satz 6 RBStV-E auch insoweit Zwangsbefugnisse eröffnet werden sollen. Für den Auskunftspflichtigen muss klar erkennbar sein, wie weit seine Auskunftspflicht tatsächlich geht. Erforderlich ist in den Fällen, in denen der Beitragsschuldner unbekannt ist, allein die Benennung des Wohnungs- oder Betriebsstätteninhabers und damit eines möglichen Beitragsschuldners. Alle weiteren Angaben haben die Landesrundfunkanstalten dann bei den Betroffenen selbst zu erheben.

 

7. Löschungsfristen

Der Staatvertragsentwurf geht davon aus, dass nicht benötigte Daten zu löschen sind, dies ist grundsätzlich richtig. Der Entwurf legt hierfür jedoch regelmäßig eine Frist von 12 Monaten fest, so in §§ 11 Absatz 4 Satz 3, Absatz 5 Satz 2 oder § 14 Abs. 9 Satz 5 RBStV-E. Das Erheben, Speichern oder das anderweitige Verarbeiten von personenbezogenen Daten, die für die Aufgabenerfüllung nicht benötigt werden, ist durch öffentliche Stellen grundsätzlich unzulässig. Nicht erforderliche Daten sind daher unverzüglich oder innerhalb einer kurz zu bemessenden Frist zu löschen. Dies bedarf der Klarstellung.

 

 

Einige der hier angesprochen Probleme sollen nach Äußerungen der Rundfunkreferenten der Länder im Rahmen einer Begründung zum Staatsvertragsentwurf ausgeräumt werden. Diese Begründung liegt derzeit nicht vor, so dass Ausführungen hierzu nicht gemacht werden können. Es ist aber bereits jetzt anzumerken, dass strukturelle Unklarheiten einer Rechtsnorm nicht durch eine noch so kreative Begründungsformulierung beseitigt werden können. Auch ist eine Gesetzesbegründung nicht in der Lage, die fehlende Bestimmtheit von Ermächtigungen und Pflichten im Gesetzeswortlaut auszugleichen. Zudem erscheint es untunlich, zuerst den Staatsvertrag durch die Landesregierungen unterzeichnen zu lassen und einigen Regelungen erst danach eine inhaltliche Bedeutung zu geben.

Auch der schon geäußerte Gedanke, die Rechtsprechung könne unklare Begrifflichkeiten mit weiteren Konturen versehen, geht fehl. Zwar ist die Rechtsprechung grundsätzlich berufen, unbestimmte Rechtsbegriffe auszufüllen. Es kann jedoch nicht ihre Aufgabe sein, unklare und missverständliche Begriffe erstmals in etwaigen Prozessen überhaupt verständlich zu machen.