Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 22. Juni 2010
Beschäftigtendatenschutz stärken statt abbauen
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder begrüßt es, dass die Bundesregierung nach nahezu 30-jähriger Diskussion den Bereich Beschäftigtendatenschutz gesetzlich regeln will. Angesichts der Bedeutung des Beschäftigtendatenschutzes für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte im Gesetzgebungsverfahren der Grundsatz „Qualität vor übereilten Regelungen“ gelten. Im Hinblick darauf wäre es verfehlt, den Gesetzentwurf in einem Schnellverfahren ohne gründliche Diskussion durchzupauken. Ein solches Verfahren würde unweigerlich zu handwerklichen Fehlern und zu einer nicht akzeptablen inhaltlichen Unausgewogenheit der Bestimmungen führen. Beides gilt es zu vermeiden.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bedauert daher, dass der vom Bundesminister des Innern vorgelegte Entwurf das angestrebte Ziel eines zeitgemäßen und verbesserten Schutzes der Beschäftigten vor Überwachung und übermäßiger Kontrolle in wesentlichen Punkten und Zusammenhängen verfehlt. Zudem bleibt eine ganze Reihe von Fragen und Problemen ungeklärt. Im Ergebnis würden die vorgesehenen Änderungen in zentralen Bereichen des Arbeitslebens eine Verschlechterung des Datenschutzes für die Beschäftigten zur Folge haben. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder appelliert an den Bundesgesetzgeber, den vorliegenden Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten, jedenfalls aber deutlich zu Gunsten des Persönlichkeitsrechts der Beschäftigten zu ändern. Ein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes sollte einen angemessenen Ausgleich zwischen den berechtigten Informationsinteressen des Arbeitgebers und dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten schaffen. An diesem Anspruch muss sich ein Beschäftigtendatenschutzgesetz messen lassen, das diesen Namen verdient.
Substantielle Verbesserungen an dem Entwurf eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes sind insbesondere in den folgenden Punkten geboten:
- Die im Gesetzentwurf vorgesehene Erlaubnis zur Datenverarbeitung bei Verhaltens- und Leistungskontrollen ist zu weit gefasst und lädt zur Ausweitung der Kontrolle und Überwachung der Beschäftigten geradezu ein. Sie muss deshalb präzise gefasst werden und ist an strenge Voraussetzungen zu knüpfen, damit die durch höchstrichterliche Rechtsprechung gefestigte Auslegung des derzeitigen Datenschutzrechts im Sinne des Schutzes der Beschäftigten vor übermäßiger Überwachung bestehen bleibt.
- Auch die im Entwurf vorgesehene allgemeine Erlaubnis zur Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten zur „Verhinderung und Aufdeckung von Vertragsverletzungen zu Lasten des Arbeitgebers, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten“ würde den Arbeitgebern sehr weitgehende zusätzliche Befugnisse zur Auswertung und Verknüpfung unterschiedlichster Datensammlungen in die Hand geben. Der Gesetzgeber muss vielmehr klarstellen, dass Maßnahmen, die zu einer ständigen Kontrolle der Beschäftigten führen oder den Betroffenen den Eindruck einer umfassenden Überwachung am Arbeitsplatz vermitteln – etwa durch ständige Videoüberwachung oder regelmäßige Aufzeichnung, Mitschnitte oder Mithören von Ferngesprächen -, weiterhin zu unterbleiben haben.
- Die Intention des Gesetzentwurfs, den Umfang der in Bewerbungsverfahren und während des Beschäftigungsverhältnisses verwendeten Daten zu begrenzen, wird auch verfehlt, wenn – wie im Entwurf vorgesehen – Arbeitgeber im Internet verfügbare Informationen generell nutzen dürfen, und zwar sogar dann, wenn diese durch Dritte ohne Kenntnis der Betroffenen und somit häufig rechtswidrig eingestellt wurden. Damit wird vom datenschutzrechtlichen Grundsatz der Direkterhebung beim Betroffenen abgewichen und Arbeitgeber werden geradezu dazu eingeladen, im Internet und in sozialen Netzwerken systematisch nach dort vorhandenen Informationen über Bewerber und Beschäftigte zu recherchieren. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder erwartet vom Gesetzgeber, dass er die Nutzung derartiger Daten untersagt oder zumindest wirksam begrenzt und die Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Betroffenen aktiv – und nicht erst auf Nachfrage – darüber aufzuklären, woher die verwendeten Daten stammen.
- Der Schutz der Beschäftigten vor unangemessener Kontrolle und Überwachung ist gerade bei der zunehmenden Nutzung elektronischer Medien am Arbeitsplatz von besonderer Bedeutung. Es ist eine normenklare, strikte Begrenzung der Einsichtnahme der Arbeitgeber in die elektronische Kommunikation von Beschäftigten unter Berücksichtigung von deren schützenswerten Belangen erforderlich.
- Die im Gesetzentwurf an mehreren Stellen vorgesehene „Einwilligung“ der Beschäftigten führt zu einer erheblichen Erweiterung der (Kontroll-)Befugnisse der Arbeitgeber. Diese wären jedoch rechtlich höchst zweifelhaft, weil Einwilligungen im Arbeitsverhältnis in den meisten Fällen mangels Freiwilligkeit nicht rechtswirksam erteilt werden können. Hinzu kommt, dass im Gesetzentwurf an keiner Stelle definiert ist, welche Anforderungen an die Rechtswirksamkeit von Einwilligungen im Arbeitsverhältnis zu stellen sind.