Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg Stefan Brink legt seine Evaluation des seit 2016 geltenden Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) Baden-Württemberg vor und formuliert Empfehlungen zur Weiterentwicklung des LIFG.
Die LIFG-Evaluation und Empfehlungen als pdf-Dokument
Gemäß Artikel 3 des Gesetzes zur Einführung der Informationsfreiheit vom 17. Dezember 2015 (GBl. S. 1201, 1205) wurde die Landesregierung bei Einführung der Informationsfreiheit in Baden-Württemberg vom Landtag beauftragt, über die Erfahrungen mit dem neuen Bürgerrecht zu berichten:
„Die Auswirkungen dieses Gesetzes werden nach einem Erfahrungszeitraum von fünf Jahren durch die Landesregierung unter Mitwirkung der kommunalen Spitzenverbände, der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz, der oder des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit und gegebenenfalls weiterer sachverständiger Personen überprüft. Die Landesregierung unterrichtet den Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.“
Um es der Landesregierung zu ermöglichen, das Gesetz wie vorgesehen noch in dieser Wahlperiode zu evaluieren, hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) die wichtigsten Erfahrungen, Kritikpunkte und Vorschläge hier zusammengestellt. Diese Ausarbeitung beinhaltet die Empfehlungen des LfDI und umfasst den Erfahrungszeitraum 01. Januar 2016 bis 25. Februar 2021.
Die fällige Evaluation kann natürlich nur einen Auftakt bilden. Sie ist verbunden mit der Hoffnung, dass sich das Landesparlament bereits Anfang der nächsten Wahlperiode mit der Weiterentwicklung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes Baden-Württemberg (LIFG) befasst und den eingeschlagenen Weg zu mehr Transparenz der Landesverwaltung beherzt weitergeht. Während unser Land etwa beim Lobbyregister voranschreitet, verlieren wir bei der Transparenz der öffentlichen Verwaltung im Vergleich zu den anderen deutschen Ländern weiter an Boden. Dort ist man schon auf dem Weg zu Transparenzgesetzen, die der Bürgerschaft deutlich mehr und einfacher Einblicke in ihre Verwaltungen ermöglichen.
Verwaltung und öffentliche Stellen sind durch das LIFG rechtlich verpflichtet, auf Anfrage bestimmte amtliche Informationen bereitzustellen. Sie sind darüber hinaus gut beraten, wo immer das möglich ist, diesem Anspruch selbsttätig nachzukommen, z.B. durch die aktive Bereitstellung von Daten und Informationen. Informationsfreiheit und Transparenz nur als Anspruch zu formulieren, greift oft zu kurz. Es ist nun an der Zeit, sich an einem modernen Transparenzgesetz, wie z.B. dem Hamburger Transparenzgesetz (HmbTG), zu orientieren und das LIFG weiterzuentwickeln. Dies belegen nicht nur die rechtlichen Schwächen des LIFG, die im Folgenden aufgeführt werden. Auch die positive Bereitschaft öffentlicher Stellen, Zugang zu „ihren“ Informationen zu gewähren und Rechenschaft über die eigene Tätigkeit abzulegen, hat sich in Baden-Württemberg wesentlich weiterentwickelt. Dies gilt auch für die erhebliche Bedeutung, die den Überlegungen zur Transparenz öffentlichen Handelns insgesamt zukommt. Die Einführung des Transparenzregistergesetzes (TRegG) am 05. Februar 2021 für den baden-württembergischen Landtag und die Landesregierung ist ein Beleg für diese Gesamtentwicklung und zugleich ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Bürgerrechts auf freien Zugang zu Informationen.
1. Anknüpfung an den Behördenbegriff
Bisher knüpft der Anwendungsbereich des Gesetzes an den Begriff des „Verwaltungshandelns“ an. Dadurch erfolgt eine Eingrenzung des Anwendungsbereichs, der gezielt Teile von Informationen, die bei Behörden vorhanden sind, vom Zugang ausnimmt. Hier wird insbesondere von der Landesregierung die Auffassung vertreten, dass Regierungsakte und Handlungen „politischer“ Art, die nach ihrem Rechtscharakter dem Verfassungsrecht zuzuordnen seien, keine Verwaltungstätigkeit darstellen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass das LIFG den Zugang zu grundsätzlich allen amtlichen Informationen aller drei Staatsgewalten gewährt, soweit sie verwaltend tätig werden, und dabei die Exekutive in ihrer Gesamtheit mit in die Pflicht nimmt. Für eine Differenzierung zwischen einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Verwaltungstätigkeit gibt der Gesetzestext nichts her, sie würde dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsrechts auch widersprechen.
Handlungsempfehlung
Um den Anwendungsbereich klarzustellen, sollte eine Anknüpfung an den Behördenbegriff erfolgen. Der Anwendungsbereich sollte darüber hinaus auch auf alle nicht-öffentlichen Stellen ausgeweitet werden, die Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehmen.
Die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und Abs. 3 Nr. 1 bis 3 LIFG normierten Bereichsausnahmen sind zu weitgehend. Nicht begründbar ist auch, weshalb die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Landesbanken und Sparkassen sowie die Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft, der Freien Berufe und der Krankenversicherung von der Anwendung ausgenommen sein sollen, zumal diese Ausnahmen in keinem anderen Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland zu finden sind.
Die Belange des Landesamts für Verfassungsschutz, der Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft und der Freien Berufe sind durch die Ablehnungsgründe des LIFG völlig ausreichend geschützt.
Handlungsempfehlung
Die Bereichsausnahmen sollten auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Die Ausschlussgründe des Informationsfreiheitsrechts sollten an die des Umweltinformationsrechts angepasst werden: In das LIFG sollte eine allgemeine Abwägungsklausel zwischen dem Informationsinteresse des Einzelnen und der Allgemeinheit einerseits und den zu schützenden öffentlichen Belangen andererseits aufgenommen werden. Staatsvertragliche Regelungen für die Rundfunkanstalten sollten ebenfalls erlassen werden, um dem hier bestehenden Informationsinteresse gerecht zu werden.
3. Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen
Amtliche Informationen zu Schulen sind aufgrund des nicht eindeutigen Wortlauts nicht von vornherein vom Informationszugang ausgeschlossen, sondern unterfallen derzeit der Einzelfallabwägung (§ 4 Abs. 1 Nr. 11 LIFG). Schutzzweck der Norm ist laut Gesetzesbegründung die Wahrnehmung des Erziehungs- und Bildungsauftrags nach § 1 des Schulgesetzes (SchG) für Baden-Württemberg. Das Gesetz gilt also, soweit Schulen und Forschungseinrichtungen nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden.
Handlungsempfehlung
Der § 2 Abs. 3 Nr. 2 LIFG sollte in Bezug auf Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen dahingehend ergänzt werden, dass klargestellt wird, dass das Gesetz für diese gilt, soweit sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre und Leistungsbeurteilungen tätig sind. Der Bereich Prüfungen sollte gestrichen werden. Einen urheberrechtlichen Schutz sehen wir grundsätzlich nicht als entgegenstehend an.
II. Begriffsbestimmungen § 3 LIFG
In der Begriffsbestimmung fehlt die Legaldefinition eines Informationsregisters i.S.d. § 11 LIFG. Anzumerken ist, dass das vorgesehene Register bis heute nicht eingerichtet wurde.
Handlungsempfehlung
Die fehlende Definition für das Informationsregister sollte eingefügt werden.
1. § 4 LIFG Schutz von besonderen öffentlichen Belangen
a) Die Gesetzesbegründung geht mit Blick auf die Kommunen davon aus, dass die von den Gemeinden bzw. von anderen informationspflichtigen Stellen erlassenen Regelungen dem LIFG vorgehen könnten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Regelungen der Gemeindeordnung über die Bekanntgabe der in nicht-öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse und die Einsichtnahme in Niederschriften über öffentliche Sitzungen haben im Hinblick auf Ratssitzungen den Grundgedanken des LIFG (Transparenz der Verwaltung) zum Teil vorweggenommen und insoweit eine Mindestanforderung aufgestellt, die heute durch das LIFG ergänzt wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit den o.g. Vorschriften den Zugang zu Ratsunterlagen abschließend regeln und daneben keine allgemeinen Zugangsrechte zulassen wollte, sind nicht erkennbar.
Handlungsempfehlung
Die Frage des Konkurrenzverhältnisses lässt sich dadurch zufriedenstellend lösen, dass eine informationszugangsfreundlichere Regelung, wie sie z.B. im Umweltinformationsrecht üblich ist, gewählt wird, vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 UVwG („Daneben bleiben andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt.“).
Die gesetzlichen Ablehnungsgründe des LIFG und § 35 Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO) bieten einen ausreichenden Schutz für die berechtigten Geheimhaltungsinteressen in Bezug auf den Ablauf von Beratungen und die bezogenen Positionen, Wortbeiträge sowie das Abstimmungsverhalten der Gemeinderatsmitglieder. Daneben sollte die GemO dahingehend dringend novelliert werden, dass der Zugang zu Ratssitzungsunterlagen im Sinne moderner Transparenz geregelt wird.
b) § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG ist nicht normenklar formuliert. Der Schutz von Beratungen und behördlicher Entscheidungsprozessen wurde in einem einzigen Ausschlussgrund zusammengefasst. Schon allein die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Vertraulichkeit von Entscheidungsprozessen reicht danach für die Ablehnung eines Antrags aus.
Diese Argumentation ist jedoch weder überzeugend noch nachvollziehbar. Es ist richtig, dass behördliche Beratungen und interne Verwaltungsabläufe während eines laufenden Verwaltungsverfahrens geschützt bleiben sollen. Der Informationszugang sollte allerdings nicht bei jeder, sondern erst bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Beratungen bzw. des Entscheidungsprozesses ausgeschlossen werden.
Handlungsempfehlung
Die Ablehnungsgründe zum Schutz behördlicher Entscheidungsprozesse und Beratungen sollten separat geregelt werden, z.B. in Anlehnung an § 3 Nr. 3 lit. b und § 4 IFG Bund. Das Vorliegen einer Beeinträchtigung muss begründet werden.
c) Regierungstätigkeit gehört zum materiellen Verwaltungshandeln. Gerade der Informationszugang im Bereich des Regierungshandelns entspricht der Zwecksetzung eines Informationsfreiheitsgesetzes. Zu verweisen ist dazu auch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesministerium als anspruchsverpflichtete Behörde nach dem IFG, Urteil vom 03.11.2011 – 7 C 4/11). Die parlamentarische und die öffentliche Kontrolle schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich (vgl. auch Schoch IFG § 1 Rn. 121 ff.). Nur so kann das Ziel, die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger_innen durch Verbesserung des Informationszugangsrechts zu erweitern, auch tatsächlich erreicht werden. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ist über § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG gut und ausreichend geschützt, womit den schutzbedürftigen Belangen der Regierung Rechnung getragen wird.
Handlungsempfehlung
4 Abs. 1 Nr. 7 LIFG sollte, analog zum IFG des Bundes, gestrichen werden.
2. § 5 LIFG Schutz personenbezogener Daten
a) Ein Verweis auf das Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 LIFG fehlt. Schutzzweck des § 5 LIFG ist der Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, das nach Artikel 2 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz verfassungsrechtlich garantiert wird. Soweit Dritte in die Offenbarung einwilligen und damit auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten verzichten, ist der Informationszugang zu gewähren. Die Einwilligung muss freiwillig erfolgen und Dritte müssen über den Zweck der Übermittlung der personenbezogenen Daten und die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligung informiert werden.
Handlungsempfehlung
5 Abs. 1 LIFG sollte wie folgt ergänzt werden: „Grundsätzlich ist bei Zugang zu personenbezogenen Daten das Verfahren nach § 8 dieses Gesetzes durchzuführen“.
b) Die Möglichkeit der Schwärzung personenbezogener Daten wird erst in § 7 Abs. 1 LIFG ausgeführt. Bereits in § 5 LIFG sollte ein Hinweis erfolgen, dass die informationspflichtige Stelle vor der Einleitung eines Drittbeteiligungsverfahrens nach § 8 LIFG die personenbezogenen Daten (vgl. Artikel 4 DS-GVO) schwärzen kann. Dadurch kann das Verfahren beschleunigt und die Kosten können gesenkt werden.
Handlungsempfehlung
Ein neuer Absatz 6 mit Verweis auf das Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 LIFG sollte wie folgt ergänzt werden: „Beantragt die antragstellende Person nicht den Zugang zu personenbezogenen Daten im Sinne des Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679, sollen personenbezogene Daten geschwärzt werden.“
3. § 6 LIFG Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen
a) Der Zugang zu geistigem Eigentum und zu Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen sollte von einer Abwägung des Geheimhaltungsinteresses mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit abhängig gemacht werden. Eine entsprechende Güterabwägung ist im besonderen Informationszugangsrecht, also im Verbraucherinformations- sowie im Umweltinformationsrecht, bereits vorgesehen.
Handlungsempfehlung
Eine Abwägungsklausel sollte eingefügt werden, indem ein § 6 S. 2 ergänzt wird: „Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit und solange die geschützte Person eingewilligt hat oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt“.
b) Nach neuer Rechtsprechung sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach 5 Jahren nicht mehr schützenswert (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 – C-15/16), es sei denn, der Nachweis der andauernden Vertraulichkeit für die wirtschaftliche Stellung des Unternehmens oder eines Dritten wird trotz des Alters als wesentlich geltend gemacht. Vom Inhaber des Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisses müssen erkennbare und übliche technische und organisatorische Vorkehrungen zum Schutz der Geheimnisse unternommen werden. Angaben über allgemeine Marktverhältnisse oder abgeschlossene Vorgänge sind nicht geschützt.
Handlungsempfehlung
Hierfür muss eine normklare Definition in das Gesetz eingefügt werden. Unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung bedarf es auch der Angabe einer zeitlichen Dimension.
c) Es fehlt der Verweis auf das Drittbeteiligungsverfahren.
Handlungsempfehlung
Eine neuer Absatz mit Verweis auf das Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 LIFG ist einzufügen: „Bei urheberrechtlich geschützten Informationen sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist das Verfahren nach § 8 dieses Gesetzes durchzuführen“.
IV. Antrag und Verfahren § 7 LIFG
1. Schwärzung personenbezogener Daten
Der unklare Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 5 LIFG führt oft dazu, dass Behörden Drittbeteiligungsverfahren durchführen, die Zeit (und Geld) kosten können. Deshalb sollte die Möglichkeit der Schwärzung als erste Option genannt werden. Die Schwärzung ermöglicht einen teilweisen Zugang zu den Informationen.
Handlungsempfehlung
siehe III. zu § 5
2. Anonyme oder pseudonyme Antragstellung
Schon aus datenschutzrechtlichen Erwägungen verfügt die informationspflichtige Stelle über keinerlei Befugnis, personenbezogene Daten der antragstellenden Person zu erheben. Diese sind für die Entscheidung irrelevant und auch für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens nicht erforderlich. Anders als vielfach behauptet fordern Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit keineswegs, dass die Identität der antragstellenden Personen festgestellt werden müsste. Eine anonyme Anfrage darf daher nicht zu einer Nicht-Bearbeitung führen. Das sollte klargestellt werden.
Handlungsempfehlung
Die Klarstellung, dass eine anonyme oder pseudonyme Antragstellung möglich ist, sollte ins Gesetz eingefügt werden.
Die Verfügungsbefugnis über die amtliche Information wird in § 7 Abs. 1 S. 1 LIFG als Zugangsvoraussetzung angeführt. Der Anwendungsbereich des LIFG betrifft die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Die Information muss – in Abgrenzung zu Aufzeichnungen zu privaten Zwecken – amtlichen Zwecken dienen. Dazu zählen alle Informationen, die bei der Erfüllung amtlicher Tätigkeiten gewonnen oder verarbeitet werden. Somit ist es nicht erforderlich zu klären, für welchen genauen Zweck die gewünschte Information vorgehalten wird bzw. bei welcher Tätigkeit sie gewonnen worden ist. Die Herkunft der Informationen von Dritten darf für sich genommen ebenfalls kein Grund sein, den Zugang zu verweigern. Daher ist das Tatbestandsmerkmal der „Verfügungsbefugnis“ überflüssig; da es in der Praxis zudem regelmäßig zu Verwirrung über die Informationspflicht der konkret angefragten Stelle und zu unstatthaften Weiterverweisungen führt, sollte der Begriff komplett gestrichen werden.
Handlungsempfehlung
Die Verfügungsbefugnis sollte als zusätzliche Bedingung aus dem Gesetz gestrichen werden.
V. Ablehnung des Antrags § 9 LIFG
In § 9 LIFG wurde auf eine Rechtswegregelung (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) verzichtet.
Handlungsempfehlung
Ergänzt werden sollte, dass für eine vollständige oder teilweise Ablehnung des Antrags die Möglichkeiten von Widerspruch und Verpflichtungsklage als Rechtsmittel sowie die Anrufung des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit als außergerichtlichem Rechtsbehelf bestehen.
Eine Ablehnung nach § 9 Abs. 1 LIFG ist ein Verwaltungsakt nach § 35 Landesverwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg (LVwVfG). Dieser ist mit den Formerfordernissen nach LVwVfG verbunden. Ein Verwaltungsakt kann in elektronischer Form ergehen.
Häufig fehlen bei einer Ablehnung nach LIFG die Begründung und die Rechtsbehelfsbelehrung. Nachteilig für die Verwaltung ist, dass sich die Rechtsmittelfrist dadurch auf ein Jahr verlängert. Eine Ablehnung sollte eindeutig und verständlich sowie konkret auf den Einzelfall bezogen begründet werden. Eine klare Abgrenzung zur formlosen „Bürgeranfrage“ ist notwendig.
Handlungsempfehlung
§ 9 LIFG sollte explizit auf die Vorschriften des LVwVfG verweisen. Damit wird klargestellt, dass es stets einer Begründung sowie einer Rechtsbehelfsbelehrung bedarf; zusätzlich müssen die Vorgaben zu Bestimmtheit und Form nach § 37 LVwVfG eingehalten werden.
Die Gebühren für die Wahrnehmung des Bürgerrechts auf Informationszugang sind zu hoch. Das ist nicht bürgerfreundlich und oftmals wird der Zugang zu den begehrten Informationen auf diese Weise vereitelt (insbesondere auf Kommunalebene und im Hochschulbereich). Das Recht auf Informationszugang ist im Grundgesetz verankert und muss weitestgehend kostenfrei bleiben. Aufgrund der vorgesehenen Kostendeckung für die Gewährung des Informationszugangsrechts im kommunalen Bereich weist Baden-Württemberg die höchsten Gebühren in ganz Deutschland auf. Kostenforderungen dürfen keine Zugangshürden bilden.
Die Mantelverordnungen der Ministerien in Baden-Württemberg sind insoweit ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht ausreichend.
Handlungsempfehlung
Die Kostenregelungen für das Umweltinformationsrecht sollten für das Informationsfreiheitsrecht übernommen werden. Eine Höchstgrenze für Gebühren sollte in den Gesetzeswortlaut aufgenommen werden. Auch auf kommunaler Ebene sollte in einfachen Fällen keine Gebührenerhebung erfolgen, ggf. sollte das Land anfallende Kosten tragen. Zugleich sollte gesetzlich festgelegt werden, dass abgelehnte Anfragen gebührenfrei ergehen. Das Verbot, für einfache Anfragen keine Gebühren und Auslagen erheben zu dürfen, sollte für alle öffentlichen Stellen des Landes gelten.
VII. Informationspflicht § 11 LIFG
Die öffentlichen Stellen des Landes Baden-Württemberg sollen lediglich „geeignete amtliche Informationen“ über öffentlich zugängliche Netze, also insbesondere auf ihrer Homepage, zur Verfügung stellen, wobei in den Nrn. 1 bis 9 beispielhaft bestimmte Datenkategorien besonders geeigneter Informationen genannt werden, die allerdings nur von den obersten Landesbehörden zwingend zu veröffentlichen sind. Eine Pflicht, diese Informationen in ein zentral geführtes Informationsregister einzustellen, besteht dagegen nicht, da ein solches bislang nicht geschaffen wurde.
Vielmehr steht es im Ermessen der Landesregierung durch Rechtsverordnung weitere zur Veröffentlichung geeignete amtliche Informationen zu bestimmen, ein Informationsregister einzurichten sowie Einzelheiten in Bezug auf Betrieb und Nutzung des Registers festzulegen. Die Pflicht zur Bereitstellung eines Landes-Transparenzportals und die schrittweise Verpflichtung für alle öffentlichen Stellen, Informationen dort zu veröffentlichen, ebnen den Weg zum Transparenzgesetz.
Handlungsempfehlung
§11 Abs. 1 LIFG ist dahingehend zu ändern, dass schrittweise proaktive Veröffentlichungspflichten für alle informationspflichtigen Stellen eingeführt werden. Darüber hinaus ist der Katalog von Veröffentlichungspflichten in § 11 Abs. 1 LIFG, z.B. in Anlehnung an § 3 HmbTG, zu ergänzen, insbesondere um Protokolle und Anlagen zu in öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüssen, Verträge der Daseinsvorsorge, von Behörden in Auftrag gegebene Gutachten und Studien, wesentliche Unternehmensdaten öffentlicher Beteiligungen einschließlich der jährlichen Vergütungen für die Leitungsebene sowie wesentliche Regelungen erteilter Baugenehmigungen und Vorbescheide mit Flurstücknummern. Die Einführung eines solchen Transparenzportals bringt der Verwaltung den Vorteil, dass im Hinblick auf Prüfung und Beantwortung von LIFG-Anfragen Zeit eingespart wird, indem Informationen proaktiv bereitgestellt werden und bei Anfragen darauf verwiesen werden kann.
VIII. Landesbeauftragte_r für die Informationsfreiheit § 12 LIFG
Da nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der Umweltinformationen weit auszulegen ist, ergeben sich weitgehende Überschneidungen in den Anwendungen der Gesetze UVwG und LIFG. Unterschiedliche Regelungen im LIFG und UVwG verkomplizieren jedoch den Zugang zu Informationen unnötig. Die Zusammenfassung der Informationsansprüche in einem Gesetz ist übersichtlicher und bürgerfreundlicher, hier kann der LfDI übergreifend unterstützen.
Handlungsempfehlung
Die verschiedenen Informationsansprüche sollten zusammengefasst werden und die Zuständigkeit für die Beratung sollte auch in Bezug auf Umweltinformationen der/dem LfDI übertragen werden.
Nach der Rechtsprechung kann eine öffentliche Stelle die Rechtswidrigkeit einer Beanstandung der/des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit gerichtlich feststellen und damit auch deren Aufhebung veranlassen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Februar 2020, 10 S. 1082/19). Demgegenüber hat die/der Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit bisher keine rechtliche Möglichkeit, die Beseitigung rechtlicher Mängel bei öffentlichen Stellen durchzusetzen. Eine Beanstandung kann damit für informationspflichtige Stellen ohne Konsequenzen bleiben. Ein bloßes Beanstandungsrecht für die/den LfDI bei Verstößen ist nicht mehr ausreichend und zeitgemäß. In anderen Informationsfreiheitsgesetzen ist zum Beispiel eine Erweiterung des Beanstandungsrechts gesetzlich geregelt.
Handlungsempfehlung
Folgende Regelungen sollten in § 12 Abs. LIFG aufgenommen werden: Bleibt die Beanstandung erfolglos, so kann die/der LfDI die Landesregierung oder die Öffentlichkeit hierüber unterrichten (vgl. IFG Bund). Sollte die/der LfDI Mängel oder Verstöße gegen das LIFG bei den informationspflichtigen Stellen feststellen, die nicht fristgerecht behoben wurden, kann das Vorliegen der beanstandeten Verstöße gerichtlich festgestellt und die Beseitigung angeordnet werden. Die Regelung des Art. 24 Abs. 3 S.3 Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg (LDSG) ist analog auf das LIFG anzuwenden: „Die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und inwieweit sie oder er oder ihre oder seine Beschäftigten über solche Angelegenheiten vor Gericht oder außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben.“
IX. Zu Artikel 3 – Überprüfung der Auswirkungen des Gesetzes
Artikel 3 bestimmt, dass die Auswirkungen des Gesetzes nach einem Erfahrungszeitraum von fünf Jahren durch die Landesregierung evaluiert werden sollen.
Handlungsempfehlung
Statt einer Evaluierung durch die Landesregierung sollte eine wissenschaftliche Evaluierung vorgesehen werden.
Die oben genannten Handlungsempfehlungen sind umfassend und tiefgreifender Art. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass der Gesetzgeber bei Einführung des Gesetzes 2015 hinter einem bereits in Deutschland erreichten Informationsfreiheitsstandard deutlich zurückgeblieben ist. Zum anderen haben sich die Gesetze anderer Länder über die Zeit zu Transparenzgesetzen weiterentwickelt.
Aus Sicht des LfDI ist daher die zeitnahe Novellierung des LIFG geboten. Darüber hinaus ist die Zeit reif für ein Transparenzgesetz, welches dem aktuellen Stand der Informationsfreiheit in Deutschland gerecht wird.
Stand: 25. Februar 2021
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