LfDI Brink: „Es droht nicht weniger als der Verlust der Anonymität. Auch Bürger_innen in Baden-Württemberg sind in ihren Rechten massiv gefährdet, wenn ohne ihre Kenntnis Bilder von ihnen im Netz abgeglichen werden und so ihre Identität für Dritte feststellbar wird.“
Wer sich heute durch die Innenstadt bewegt, der geht davon aus, dass er dies weitgehend anonym tun kann. Natürlich trifft man den einen oder anderen Bekannten, aber für die meisten Menschen ist man nicht persönlich identifizierbar. Bislang. Internet-Dienste wie PimEyes werben damit, durch Abgleich von Fotos und den darin enthaltenen biometrischen Daten jede Person identifizieren zu können. Mittels Gesichtserkennung, persönlichen Profilen und einer Gesichts-Datenbank. Das würde den Verlust der Anonymität bedeuten – und da schrillen bei Datenschützern die Alarmglocken.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Dr. Stefan Brink hat daher PimEyes aufgefordert, Stellung zu den durch das Unternehmen verarbeiteten Daten zu beziehen. Dafür hat der Landesbeauftragte dem Unternehmen einen umfangreichen Fragenkatalog geschickt, der innerhalb von vier Wochen zu beantworten ist.
Recherchen von netzpolitik.org hatten bereits im vergangenen Jahr gezeigt, dass das Unternehmen „massenhaft Gesichter im Internet nach individuellen Merkmalen“ scanne und biometrische Daten (also persönliche Merkmale wie Gesichtsform, Augenfarbe oder den Abstand von Mund zu Nase) speichere, mit denen sich jeder Mensch treffsicher identifizieren lässt.
Nach der DS-GVO ist es jedoch untersagt, biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung von natürlichen Personen zu nutzen. Die Datenbank des Unternehmens ist bislang zugänglich für beliebige Nutzer_innen weltweit. Sie können das Foto einer Person hochladen und sich dann anzeigen lassen, wo überall im Netz – etwa auf Social Media, einer eigenen Webseite oder in der öffentlichen Cloud – dieses Gesicht bereits zu finden ist. Da aus Sicht des Landesbeauftragten immer noch unklar ist, wie diese Daten vom Unternehmen verarbeitet werden, ist die Aufsichtsbehörde nun aktiv geworden.
Im Einzelnen möchte der Landesbeauftragte vom Unternehmen wissen, auf welcher Rechtsgrundlage die Daten gespeichert, verarbeitet und gegebenenfalls an Dritte weitergegeben werden und welche technisch-organisatorischen Maßnahmen getroffen sind, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten und Missbrauch durch Dritte zu verhindern.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Stefan Brink: „Das Vorgehen des Unternehmens wirft aus Sicht der Datenschutz-Grundverordnung erhebliche Fragen auf. Die wollen wir jetzt im Interesse der Bürger_innen klären. Wir fordern das Unternehmen auf, Stellung zu beziehen. Auch Bürger_innen in Baden-Württemberg sind in ihren Rechten massiv gefährdet, wenn ohne ihre Kenntnis Profile über sie gebildet und für Dritte zugänglich werden.“
Ohne Einwilligung der betroffenen Person dürfe keine Profilbildung stattfinden. Besonders heikel werde es, wenn massenhaft biometrische Daten gesammelt würden. Jede politische, religiöse, sexuelle oder andere private Angelegenheit kann so mit der jeweiligen Person direkt verknüpft werden. Brink weiter: „Alle Bürger_innen im Land werden sich künftig sorgen müssen, wenn ohne ihre Kenntnis Fotos von ihnen für alle – Nachbarn, Arbeitgeber, Behörden – einsehbar sind und auch in Drittstaaten fließen.“ Jede Teilnahme an Demos, jeder Besuch eines Gotteshauses oder schlicht der Supermarkteinkauf mit Wein und Gemüse kann im Zweifel von Dritten abfotografiert und im Internet abgeglichen werden. „Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind gefährlich für unsere Demokratie. Nicht nur das Recht der Bürger_innen auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch andere Grundfreiheiten werden dadurch bedroht. Es ist Zeit, hier für Klarheit zu sorgen.“
Das ursprünglich in Polen ansässige Unternehmen PimEyes, welches als Sitz mittlerweile die „Face Recognition Solutions Ltd.“ auf den Seychellen angibt, hat für eine Stellungnahme vier Wochen Zeit. Auf Grundlage der Stellungnahme des Unternehmens wird der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit das weitere Vorgehen bewerten.
Weitere Informationen
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg kontrolliert nach § 25 Absatz 1 des Landesdatenschutzgesetzes (LDSG) in Verbindung mit § 40 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie Artikel 51 Absatz 1, Artikel 55 Absatz 1 und Artikel 57 Absatz 1 lit. a, f Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) bei privatrechtlichen Unternehmen und Organisationen sowie Behörden die Ausführung der Datenschutz-Grundverordnung, des Bundesdatenschutzgesetzes, des Landesdatenschutzgesetzes sowie anderer Vorschriften zum Datenschutz.
Durch zahlreiche Medienberichte über ausschweifende Datenverarbeitungen ist der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg auf das Unternehmen PimEyes aufmerksam geworden. Er sieht sich veranlasst, im Rahmen seiner Kompetenz und Befugnisse aus Artikel 58 Absatz 1 lit. a DS-GVO vom Unternehmen als verantwortlicher Stelle weitergehende Informationen zu verlangen.
Aufgrund der globalen Nutzung von PimEyes ist davon auszugehen, dass vom Unternehmen personenbezogene Daten von europäischen Nutzenden verarbeitet werden und daher die DS-GVO anzuwenden ist (Artikel 3 Absatz 2 DS-GVO).
Die Zuständigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg ergibt sich aufgrund von Artikel 55 Absatz 1 DS-GVO in Verbindung mit § 40 BDSG, soweit eine Niederlassung in Europa nicht benannt ist. Das ursprünglich in Polen ansässige Unternehmen gibt in der Datenschutzerklärung als verantwortliche Stelle „Face Recognition Solutions Ltd.“ mit Sitz auf den Seychellen an.
Recherche von Netzpolitik.org: https://netzpolitik.org/2020/gesichter-suchmaschine-pimeyes-schafft-anonymitaet-ab/
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