LfDI informiert über die – leider unklare – Rechtslage

Durch eine Reihe von Änderungen des Infektionsschutzgesetzes wurde geklärt, dass Arbeitgeber nicht generell, sondern nur im Bereich bestimmter Branchen – z.B. Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen – den Immunisierungsstatus der Beschäftigten (geimpft/genesen) erfragen dürfen. Aktuell erreicht uns eine Vielzahl von Anfragen, ob Arbeitgeber berechtigt sind, von ihren Beschäftigten im Rahmen etwaiger Lohnfortzahlungsansprüche Auskunft über den Impfstatus zu verlangen.

Ergeht gegenüber einem Beschäftigten eine Quarantäne-Anordnung des Gesundheitsamtes, so leistet der Arbeitgeber zunächst die Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Der Arbeitgeber nimmt diese Zahlung stellvertretend „für die zuständige Behörde“ vor. In einem zweiten Schritt kann der Arbeitgeber von der zuständigen Behörde dann die Erstattung der ausgezahlten Beträge verlangen. Einen Anspruch auf Entschädigung hat ein Beschäftigter nach § 56 Abs. 1 Satz 4, 5 IfSG jedoch dann nicht, wenn der Beschäftigte diese Quarantäne durch Inanspruchnahme einer allgemein empfohlenen Schutzimpfung oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein Risikogebiet hätte vermeiden können.

Diese zunächst nachvollziehbare Gesetzesregelung lässt eine Reihe von Folgefragen offen, welche die praktische Umsetzung der Lohnfortzahlung betreffen:

  • Darf der Arbeitgeber, um die Lohnerstattung von der Behörde zu erhalten, den Beschäftigten nach seinem Impfstatus fragen?
  • Ist der Beschäftigte umgekehrt verpflichtet, seinen Impfstatus gegenüber seinem Arbeitgeber zu offenbaren, und/oder muss er dem Arbeitgeber hierzu sogar Belege (Impfpass etc.) überlassen?
  • Prüft der Arbeitgeber bei Nicht-Geimpften auch, ob gesundheitliche Gründe (schwere Erkrankung/Operation, Schwangerschaft, Immunstörung etc.) oder zwingende beziehungsweise unvermeidbare Gründe für eine Auslandsreise in ein Risikogebiet (Tod oder schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen, Kuraufenthalt, medizinischer Eingriff im Ausland, beruflich veranlasster Auslandsaufenthalt etc.) vorlagen?

Die Rechtslage ist insoweit uneindeutig, die aufgeworfenen praxisrelevanten Fragen werden vom Gesetz nicht geklärt. Dies wiegt schwer, weil aus Sicht des Datenschutzes den Arbeitgeber private Angelegenheiten des Beschäftigten (z.B. Schwangerschaft, Krankheitsdiagnosen) nichts angehen.

Um hier mehr Klarheit bei Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Behörden zu schaffen, hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg Dr. Stefan Brink ein Positionspapier vorgelegt, in dem er wesentliche Fragen klärt. Nicht in allen Punkten besteht dabei Einigkeit mit den zuständigen Behörden.

Der Landesbeauftragte Brink: „Die Pandemie greift nach wie vor massiv in die Bürgerrechte der Menschen ein. Leider lassen die gesetzlichen Vorgaben dabei viele Fragen offen, das gilt auch bei der Lohnfortzahlung im Quarantäne-Fall. Der Arbeitgeber darf zwar im Rahmen der Lohnerstattung nach dem Impfstatus des Beschäftigten fragen, der Beschäftigte muss ihm aber seine sensiblen Daten nicht offenbaren, wenn er das nicht möchte. Der Beschäftigte kann auch über das zuständige Regierungspräsidium die Lohnfortzahlung sicherstellen, ohne dass der Arbeitgeber Kenntnis von den Gesundheitsdaten erlangt. Das sehen die zuständigen Behörden aber leider teilweise anders. Solch unterschiedliche Auffassungen sind für Arbeitgeber wie Beschäftigte misslich, letztlich kann nur der Gesetzgeber für Klarheit sorgen. Und das sollte er auch tun.“

 

Positionspapier
Lohnfortzahlung, Corona und Datenschutz

LfDI-Positionspapier als pdf

Nachdem durch eine Reihe von Änderungen des Bundes-Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geklärt ist, dass Arbeitgeber nicht generell, sondern nur im Bereich bestimmter Branchen (Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen u.a.) den Impfstatus der Beschäftigten (geimpft/genesen) erfragen dürfen, steht derzeit die Frage nach dem Auskunftsanspruch des Arbeitgebers gegenüber Beschäftigten im Rahmen der Lohnfortzahlung (genauer: des „Entschädigungsanspruchs bei Absonderung“) auf der Tagesordnung:

Ergeht gegenüber einem Beschäftigten eine Quarantäne-Anordnung des Gesundheitsamtes oder trifft ihn eine sog. Absonderungspflicht nach der CoronaVO, so tritt der Arbeitgeber in Vorleistung und übernimmt zunächst die Auszahlung der Verdienstausfallsentschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG für bis zu sechs Wochen; der Arbeitgeber tut dies stellvertretend als Zahlstelle „für die zuständige Behörde“, von der er dann die Erstattung der ausgezahlten Beträge verlangen kann. Dies gilt nach § 56 Abs. 1 Satz 4, 5 IfSG jedoch dann nicht, wenn der Beschäftigte durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein Risikogebiet diese Quarantäne hätte vermeiden können.

Diese zunächst nachvollziehbare Gesetzesregelung klärt jedoch nicht eine Reihe von Folgefragen, welche die praktische Umsetzung der Entschädigungszahlung betreffen: Darf der Arbeitgeber, um die Lohnerstattung von der Behörde zu erhalten, den Beschäftigten nach seinem Impfstatus fragen? Ist der Beschäftigte verpflichtet, dies zu offenbaren oder dem Arbeitgeber hierzu sogar Belege (Impfpass etc.) zu überlassen? Prüft der Arbeitgeber bei Nicht-Geimpften auch, ob gesundheitliche Gründe (schwere Erkrankung/Operation, Schwangerschaft, Immunstörung etc.) oder zwingende/unvermeidbare Gründe für eine Auslandsreise in ein Risikogebiet (Tod oder schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen, Kuraufenthalt, medizinischer Eingriff im Ausland, beruflich veranlasster Auslandsaufenthalt etc.) vorlagen?

Die Rechtslage ist insoweit unklar und umstritten, da die aufgeworfenen praxisrelevanten Fragen vom Gesetz nicht geklärt sind. Dies wiegt umso schwerer, weil aus Sicht des Datenschutzes der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Zugang zu Gesundheitsdaten seiner Beschäftigten hat und ihn private Fragestellungen (nicht berufliche Auslandsreisen, Familienverhältnisse) nichts angehen. Deshalb war bislang völlig unumstritten, dass Themen wie Schwangerschaft oder Krankheitsdiagnosen für ihn tabu sind und selbst erhebliche finanzielle Einbußen durch Unkenntnis von persönlichen Umständen des Beschäftigten (z.B. wenn er von der Schwerbehinderung eines Beschäftigten nichts erfährt und daher zu Unrecht eine Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe zahlen muss) hinzunehmen sind. Der LfDI bedauert daher außerordentlich, dass der Bundesgesetzgeber bei seiner Änderung des IfSG diese Unklarheiten für Arbeitgeber und Beschäftigte nicht ausgeräumt hat. Denn jetzt sind letztlich die aufgeworfenen und konfliktträchtigen Fragen vor Ort zu „lösen“. Das ist sicherlich kein Zeichen guter Gesetzgebung.

Daher sind die folgenden Punkte für die Beteiligten zu beachten:

  1. Der Arbeitgeber darf den Impfstatus der Beschäftigten erfragen, wenn er die Entschädigung nach § 56 IfSG für die Behörde auszahlt.

Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber bereits die Frage nach privaten oder besonders geschützten Daten nach Art. 9 DS-GVO (Gesundheitsdaten, Gewerkschaftszugehörigkeit etc.) verboten. Im Zusammenhang mit der Auszahlung einer Entschädigung nach § 56 IfSG liegen jedoch genügend gesetzliche Hinweise vor, dass dem Arbeitgeber hierbei eine Rolle zugewiesen wird, die eine solche Frage rechtfertigen kann.

  1. Der Beschäftigte ist allerdings nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber seinen Impfstatus oder andere Gesundheitsdaten (Schwangerschaft/Erkrankung) offen zu legen.

Eine solche Pflicht ergibt sich nicht aus dem IfSG, auch nicht aus § 26 Abs. 3 BDSG oder Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO. Dort sind Verarbeitungsbefugnisse des Arbeitgebers angesprochen, nicht aber Auskunftspflichten des Betroffenen. Hat ein Arbeitgeber also solche Daten rechtmäßig (etwa durch freiwillige Erklärung des Beschäftigten) erlangt, darf er sie nutzen und an die Behörde übermitteln. Davon zu unterscheiden ist jedoch eine Auskunftspflicht des Beschäftigten, diese müsste auch angesichts der Eingriffstiefe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Angaben zum Gesundheitsstatus, Schwangerschaft, Familienverhältnissen) nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Vorbehalt des Gesetzes durch formelles Gesetz ausdrücklich bestimmt sein. Daran fehlt es offensichtlich.

Grundlage einer solchen Auskunftspflicht kann auch nicht der Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber sein. Zwar existiert sicherlich eine vertragliche Nebenpflicht des Beschäftigten, den Arbeitgeber bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Behörden im Rahmen des Zumutbaren zu unterstützen. Dazu kann auch die Angabe personenbezogener Daten des Beschäftigten zählen, sicherlich nicht aber die Angabe besonderer Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 DS-GVO.

Folglich gibt es keine Auskunftspflicht des Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber, sondern nur eine entsprechende Obliegenheit des Beschäftigten. Das bedeutet: Er kann zwar frei entscheiden, ob er dem Arbeitgeber die persönlichen Informationen zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG beisteuern will, läuft insofern jedoch das Risiko, mangels Mitwirkung Nachteile zu erleiden. Sollte der Arbeitgeber etwa nicht bereits aus § 616 BGB zur Fortzahlung des Lohns verpflichtet sein oder dem Beschäftigten kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustehen, könnte der Beschäftigte sich Ansprüchen des Arbeitgebers auf Rückzahlung des Lohns für die Zeit der Quarantäne ausgesetzt sehen bzw. keinen Lohn erhalten.

  1. Wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber die persönlichen Informationen zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG offenlegt, so geschieht das im Rahmen einer Einwilligung nach Maßgabe der DS-GVO: Die Angaben macht der Beschäftigte freiwillig und muss dazu gut über die Verwendungszwecke durch den Arbeitgeber (Art. 4 Nr. 11 DS-GVO) und über die Möglichkeit eines Widerrufs der Einwilligung in die Verwendung seiner Daten (Art. 7 Abs. 3 Satz 3 DS-GVO) informiert sein; diese Erklärung muss ausdrücklich (also in der Regel schriftlich, vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO) erfolgen. Freiwilligkeit setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass der Arbeitgeber dem Beschäftigten jederzeit die Wahl lässt, die erforderlichen Angaben ihm gegenüber zu machen oder nicht.
    Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber den Beschäftigten auch darauf hinweisen, dass er auch selbst eine Entschädigung bei der zuständigen Behörde beantragen kann (vgl. Ziff. 5 und § 56 Abs. 5 IfSG; die Rechtslage ist in diesem Punkt allerdings umstritten: Die zuständigen Behörden vertreten hier die Auffassung, dass der Beschäftigte erst für Absonderungszeiträume ab der 7. Woche einen eigenen Antrag stellen kann; solch lange Absonderungen kommen aufgrund SARS CoV-2 allerdings regelmäßig nicht vor).
  1. Die freiwilligen Angaben des Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber unterliegen einer strengen Zweckbindung. Nach deren Verwendung zur Erlangung der Erstattung seiner Entschädigungszahlung bei der zuständigen Behörde hat der Arbeitgeber diese Daten unverzüglich zu löschen. Er darf sie weder für den Aufbau eines innerbetrieblichen „Impfregisters“, noch für andere Zwecke verwenden.
  2. Nach Auffassung des LfDI bleibt dem Beschäftigten in jedem Fall die Möglichkeit, anstelle einer Auskunft gegenüber seinem Arbeitgeber die Entschädigung nach § 56 Abs. 5 Satz 4 IfSG selbst bei der zuständigen Behörde (hier: dem Regierungspräsidium) zu verlangen und (nur) der Behörde gegenüber die erforderlichen Angaben zu machen. Sein Arbeitgeber erfährt dabei weder seinen Impfstatus, noch weitere persönliche Angaben oder ob und in welchem Umfang eine Entschädigung gegenüber dem Beschäftigten gewährt wurde.

Das sehen die in Baden-Württemberg zuständigen Behörden allerdings anders und verneinen eine eigene Antragsbefugnis des Beschäftigten. Nach deren Auffassung muss der Beschäftigte zwar seinen Impfstatus, nicht aber die gegen eine Impfung sprechenden Gründe, wie beispielsweise Informationen über eine medizinische Gegenindikation, gegenüber dem Arbeitgeber preisgeben. Insbesondere müsse eine Schwangerschaft nicht offengelegt werden. Die Regierungspräsidien forderten in diesen Fällen beim Arbeitgeber ein ärztliches Attest an, in dem ohne Angabe von Gründen bestätigt wird, dass eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht erfolgen konnte. Dieses Attest könne der Arbeitnehmer unter Angabe der Vorgangskennung auch direkt beim Regierungspräsidium einreichen.

Solch unterschiedliche Auffassungen sind für Arbeitgeber wie Beschäftigte misslich, letztlich kann nur (und sollte!) der Gesetzgeber für Klarheit sorgen.

  1. In allen genannten Fällen hilft der LfDI Arbeitnehmern, Arbeitgebern und den zuständigen Behörden bei der Suche nach rechtmäßigen und praktikablen Lösungen.

 

Stand: 30.9.2021

 

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